Schlagwort-Archive: Kompetenz

Das Unfassbare der unendlichen Kompetenzbegriffe

Der ehemalige Lehrer Klaus Ruß stellt in der FAZ von heute („Was sollen Schüler eigentlich lernen?“) – wieder einmal – dar, zu welcher Verwirrung die Kompetenzdidaktik bei Lehrern und Schülern geführt hat.

Ein Zitat: „Über das, was mit Handlungs-, Beurteilungs- oder gar Empathiekompetenz jeweils gemeint ist, stellen endlose Konferenzen und pädagogische Tage keinen Konsens her. `Wir planen das Ungefähre´, resümiert ein Schulleiter die frustrierenden Debatten.“´

Siehe auch im Blog den Beitrag zum hessischen Geschichtscurriculum.

Informationen in leichter Sprache

Die Zeitung „Das Parlament“ versucht in einer regelmäßigen Beilage, Politik in einfacher Sprache zu erklären. Manchmal ist das sehr vereinfacht.

Aus der Beilag Nr. 8 zu Parlament 13/2015: „Was bedeutet Kompetenz? Ein anderes Wort dafür ist Fach-Wissen.“

Franz Weinert wird sich im Grab umdrehen.

Noch ein Tipp: Das Programm der Linkspartei in einfacher Sprache.

Erwachsenen-PISA: Die Hälfte weiß, wie man E-Mails sendet

Da die PISA-Industrie nun einmal da ist, sucht sie sich neue Betätigungsfelder: PIAAC 2013 – Pisa für Erwachsene.

Ergebnisse der heute veröffentlichten Studie: Deutsche Erwachsene lesen statistisch signifikant schlechter als der OECD-Durchschnitt: Mittelwert 270, OECD-Durchschnitt 273, Japan 296. Welche Kompetenzunterschiede zwischen den Mittelwerten 270 und 273 liegen, konnte ich nicht herausfinden.

„Unter Lesekompetenz wird das Verstehen, Nutzen und Interpretieren von geschriebenen Texten verstanden. Die Lesekompetenz ist Voraussetzung, um das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. In diesem Bereich sind in PIAAC Aufgaben wie das Lesen und Verstehen eines Medikamentenbeipackzettels oder eines kurzen Zeitungsartikels enthalten. Ferner gibt es Aufgaben, die sich auf elektronische Medien beziehen, wie zum Beispiel das Lesen einer Stellenanzeige in einem Onlineportal.“ Weiterlesen

Die Vermessung der Schulleistung

schreitet voran. Wird es demnächst statt „Deutsch: Vier“ heißen „Deutsch 53,86 %“?

Erstmals lädt das DIPF zu einer Tagung „Vermessung von Kompetenzen“ ein, die nun regelmäßig stattfinden soll. Aus dem Programm:

  • Kompetenzveränderung im Längsschnitt Prof. Dr. Knut Neumann, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und Norbert Maritzen, Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ), Hamburg
  • Rückmeldungen von ErgebnissenProf. Dr. Johannes Hartig, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und Ulrich Steffens, Landesschulamt und Lehrkräfteakademie Hessen
  • Technologiebasierte KompetenzerfassungProf. Dr. Frank Goldhammer, DIPF und Dr. Isabella Benischek, Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE)
  • Messung von LehrerkompetenzenProf. Dr. Tina Seidel, TUM School of Education und Werner Klein, Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK)

Man beachte Punkt 4!

Nachtrag:

Der Paderborner Mathematikdidaktiker Wolfram Meyerhöfer bedauert, dass so viele Millionen € in eine unergiebige empirische Bildungsforschung gesteckt werden statt in Lehr- und Lernforschung. Lernprozesse zu vermessen sei völlig aussichtslos, sagt er. Weiterlesen

Der „kompetente Säugling“

Die Bücher und Aufsätze des Politikdiaktikers Prof. Wolfgang Sander (Gießen) waren für mich in meiner Zeit als Politik-Ausbildungsleiter wichtige Seminarmaterialien. Jetzt lese ich in der FAZ v. 26.4.13 einen Text, in dem er die Kompetenzdiskussion vom Kopf auf die Füße stellt. Er erinnert ganz knapp (Endlich wieder einmal keine seitenlange Erörterung, wie sie in der FAZ die Regel ist) daran, dass Kompetenzen nicht fachbezogen gedacht waren, sondern ganz bewusst ein Gegenkonzept gegen die Überbetonung fachlichen Lernens in der Schule. Wir sprachen in den 80ern ganz unschuldig von Skills, Arbeitstechniken, und haben sie in den Politik-Lehrplan eingebaut. (Obwohl es natürlich fächerübergreifende Techniken waren. Aber die Kolleg/-innen der anderen Fächer waren bewusstseinsmäßig noch nicht so weit.;-)) Weiterlesen

Wie prüfen Universitäten überfachliche Kompetenzen?

fragt der ehemalige Verwaltungsdirektor der FU Berlin, Peter Wex, in einem Artikel der FAZ v. 2.10.12.

Seit 12 Jahren, seit dem Inkrafttreten der Bologna-Erklärung, wird jedes Modul mit einer Prüfung abgeschlossen. Den Studierenden wird bescheinigt, dass sie Fachwissen, Methoden-, Sozial- und personale Kompetenz erworben hätten.

Nun hätten Autoren 4000 Module in 125 Bologna-Studiengängen 39 deutscher Universitäten untersucht. Sie fanden heraus: Beim Fachwissen werden die Anforderungen breit und ausführlich dargestellt. Bei den fächerübergreifenden Kompetenzen geschehe das häufig nicht. Diese würden zwar meist benannt, aber in der Regel nicht beschrieben.

Im laufenden Semester wird Studierenden 1,3 Millionen mal bescheinigt, dass sie überfachliche Kompetenzen erworben hätten. Geprüft würde das nicht, aber der Erwerb bescheinigt.

Der Wissenschaftsrat hatte 2008 festgestellt, dass es kein „überzeugendes Verfahren zur Kompetenzmessung“ gäbe. Untersuchungen, wie die nicht beschriebenen überfachlichen Kompetenzen durch die Hausarbeiten und Klausuren abgeprüft worden seien, gibt es nicht.

Peter Wex: Das leere Versprechen der Kompetenzprüfung, FAZ 3.10.12

Kerncurriculum Geschichte: Narrative statt Wissen?

Spötter in den Reihen der Lehrerschaft sagen seit Alters her: „Egal, welcher Lehrplan gerade aktuell ist, was in meinem Unterricht passiert, entscheide ich.“ Wenn ich noch im Dienst wäre, würde ich gerade den achten Geschichtslehrplan über mich ergehen lassen müssen. Alle fünf Jahre ein neuer. Manchmal kam der neue, obwohl der alte noch in der Erprobungsphase war. Der seit 2011 gültige heißt „Hessisches Kerncurriculum Geschichte“. Und die Kultusbürokratie meint es diesmal ernst. Soll doch der Unterricht zu kompetenzorientierten Prüfungen passen.

Der hessische Bildungsserver ist angefüllt mit Hinweisen auf Kompetenzorientierungslehrgänge und Kontaktadressen zu Kompetenzorientierungsberater/-innen, die Schulen aufsuchen sollen. Die Schulen müssen auf der Basis der Kerncurricula schuleigene Curricula erarbeiten.

Ich versuche schon seit Jahren zu verstehen, was eigentlich mit Bildungsstandards und Kompetenzen gemeint ist. Was mich beruhigt: Es geht vielen so. Was mich beunruhigt: Obwohl es ein unklarer Begriff ist, ist die Kompetenzorientierung zur Vorschrift geworden.

Meine Suche auf dem hessischen Bildungsserver führt zu gleich drei Kerncurricula Geschichte für die Mittelstufe. Das alte System hat also überlebt, jede Schulform kriegt ihr Kerncurriculum. Was ist aber mit den Mittelstufen- und den integrierten Gesamtschulen?

Die Rahmenrichtlinien von 1972 waren weiter gewesen, sie unterschieden Fundamentum und Additum und ersparten sich getrennte Lehrpläne für Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Wo kämen wir hin, wenn es nur ein „core curriculum“ für das Schulwesen gäbe? Amerikanische Zustände!

34 Seiten, auf denen das Wort Kompetenz in zusammengesetzten Variationen ca. 140mal vorkommt (im Kerncurriculum Realschule; das Inhaltsverzeichnis wurde nicht mitgezählt): Urteils-, Orientierungs-, Analyse-, Meta-, Wahrnehmungs-, Handlungs-,  narrative, überfachliche, personale, Sprach-, Lern-, Sozialkompetenz.  Dazu Wörter wie Komptenzerwartung, -entwicklung, -bereich, -erwerb.

Dann sind noch Basisnarrative wichtig und es gibt den Epochenbezug. Die konkreten Inhalte sind also noch nicht ganz verschwunden. Aber sie sind volatiler geworden, sie werden verbindlichen Kompetenzen zugeordnet, z. B. der Urteilskompetenz: „Weitgehend selbstständig Eckpunkte von Entwicklungen kennzeichnen durch Ursprünge, Wendepunkte und Schlusspunkte“. Dieser Kompetenz kann dann z. B. die Antike als Epoche zugeordnet werden: Freiheit und Mitbestimmung in der griechischen Polis/Entwicklung zum Imperium Romanum/Griechische und römische Ursprünge der europäischen Kultur. „Inhalte dienen nur noch als Spielmaterial zur Einübung in die Methode.“ (Andreas Gruschka)

Boden unter die Füße bekomme ich, wenn ich, einmal unter Bildungsstandard, dann unter Kompetenzerwartung diese Lernziele (Den Begriff gibt es nicht mehr) finde:

  • „anhand formaler Merkmale verschiedene Textgattungen im Hinblick auf ihren Erkenntniswert unterscheiden“, (Die Teilkompetenzen hätte ich gerne mal gelesen!)
  • „ihre eigenen Einstellungen, Vorurteile, Haltungen, Deutungsmuster und Wertmaßstäbe in den Geschichtsunterricht einbringen und kritisch hinterfragen und bewerten“, (Es liegt kein Irrtum vor: Mittelstufe/Realschule!)
  • „selbstständig die für eine Problemlösung erforderlichen Informationen beschaffen. (Dies ist eine „lernzeitbezogene Kompetenzerwartung“.)

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Wer bringt Schülern noch etwas bei?

Aus einem Leserbrief:

„Wenn unsere  Kinder nicht mehr lernen dürfen, sondern nur noch Kompetenzen erwerben sollen, wer bringt ihnen dann was bei?“

(Leserbriefschreiberin Eleonore Zergiebel zu dem Artikel Schulstress: Die Eltern sind schuld, erschienen in der FAZ am 13.5.12)

Der einfallsreiche Pädagogikprofessor Jürgen Henningsen schrieb altertümelnd von „beybringen”, wenn es um Lernen und Lehren ging. Er wollte, dass man an dem Wort hängen bleibe.

Marion Bradys Reality-Based Learning

Herzerfrischend: Marion Bradys Reality-Based Learning.

Schon bemerkenswert, dass das, was seit dem Humanismus bis Neill und Illich als Schul- und Unterrichtsreform gefordert und auch immer wieder praktiziert wird, auf Englisch aus USA zurückkommt zu uns, die wir Unterricht glauben zu verbessern durch Bildungsstandards, Kompetenzmodelle und Referenzrahmen für jedes Fach, jede Schulform, jeden Jahrgang und sogar für fachunabhängige Performance-Standards, auch wiederum für jedes Schuljahr (Kindergarten nicht vergessen!) und jede Schulform, jetzt auch mit „nachhaltigen Kompetenzen“, wie ich irgendwo gelesen habe.

Wenn das alles einmal im Hinblick auf Messbarkeit mit standardisierten Tests á la PISA durchoperationalisiert und sequenziert sein wird, entstehen haufenweise Kerncurricula und Lernmatrizen. Dass Unterricht dadurch besser wird, lebensnäher und für Schülern/-innen „nachhaltiger“, darf bezweifelt werden.

In USA ist es viel schlimmer mit der Testeritis, wir sind erst auf dem Weg dahin. Über dem Hype um messbare Kompetenzen und Standards geht verloren, was guter Unterricht und wie gute Lehrer sein sollten. Unterricht besteht in der Folge nur darin, für den Test zu lernen. Das häufige Auftauchen von „Selbstlernzentren“ weist in dieselbe Richtung.

Brady setzt den alten pädagogischen Anspruch um, in und an der Realität zu lernen: Hinauszugehen, zu pflanzen, zu bauen, die Stadt zu erkunden, Menschen zu befragen, die Sachen zu untersuchen. „Realbegegnung“ sagte man in der vordigitalen Pädagogik dazu. Das Einfache, das schwer zu machen ist.

Oh, Wunder, die Wiesbadener Helene-Lange-Schule, in der auch so gelernt wurde, hat hervorragende, „finnische“ PISA-Werte. Die PISA- und Kompetenzforschung ist aber für die einschlägigen Hochschulen, Institute und Firmen arbeitsplatzsichernder und umsatzfördernder als Lehrer/-innen das Handwerk des Unterrichtens in außerschulischen und fächerübergreifenden Projekten beizubringen.

Marion Brady hat die verschiedensten Tätigkeiten im Erziehungsbereich wahrgenommen, Lehrer, Dozent, Lehrbuchautor, Publizist. Er ist Ruhestand und lebt in Florida.
Auch lesenswert: Ein aktueller Artikel von Brady, in dem er eine grundlegende Schulreform fordert.

Schule macht nicht fit für die Zukunft

Was Schule alles nicht lehrt, füllt Bücher. Ein amerikanischer Futurologe hat jetzt  Kompetenzen genannt, die Schüler/-innen dringend beygebracht werden müssten, damit sie lebenstüchtig würden.

1.) Communication Management

Amerikanische Schüler/-innen senden und empfangen, so haben Wissenschaftler/-innen gezählt, monatlich über 3000 sms

Mediziner beobachten Erschöpfungszustände bei jungen Menschen, die das Handy nie ausschalten, mit ins Bett nehmen, die stundenlang sehnsüchtig darauf warten, dass es vibriert. Sie haben Angst, etwas nicht mitzubekommen oder befürchten, nicht angerufen zu werden.

Ein hilfreiches Kommunikationsmanagement (anscheinend ist nur diese Art von Kommunikation für den Futurologen relevant) müsse die Schule unterrichten.

2.) Reputation Management

57% der erwachsenen US-Internetnutzer haben sich schon gegoogelt, um zu sehen, was über sie im Internet zu finden ist. Die Zahl der jüngeren, die das machten, sei, entgegen der Volksmeinung, noch größer.

Auch das müsse unterrichtet werden.

3.) Privacy Management

Das angesehene Meinungsforschungsinstitut Pew, auf das sich der Zukunftsforscher bezieht, hat herausgefunden, dass 70% der U30-Social-Networker den Zugang zu ihren Informationen einschränken. Bei den älteren Herrschaften (50 -64 Jahre) wären es nur 50%.

Das Abwägen von Privat- und Offenheit sei eine unverzichtbare Zukunftskompetenz.

Müsste man, angesichts der Befunde, nicht eher Seniorenkurse an Volkshochschulen machen als ein neues Schulfach einführen?

4.) Information Management

12 Stunden täglich konsumieren Amerikaner Information (TV, Radio, Computer, Telefon, Musik usw.

Wie kann man diesen Input geschickter nutzen lernen? Und das müsse man in einer globalisierten Gesellschaft.

5.) Opportunity Management

Wer in USA 30 wird, habe im Durchschnitt 11 Jobs bis dahin ausgeübt. In 10 Jahren, so sagt der Futurologe voraus, werden es 200 bis 300 Projekte sein. Projekte würden Lebensanstellungen weitgehend ersetzen.

Vor allem die Digitalisierung trage dazu bei. Solche Job-Gelegenheiten erblickten überall und ständig das Licht der Welt. Dazu brauche man die Kompetenzen des Findens, Auswählens, des richtigen Davongebrauchmachens (capitalize).

6.) Technology Management

Welche neuen Geräte sollten wir beachten, welche nicht? Wir definieren uns inzwischen durch den Gebrauch von Technologie und brauchen sie in unserem Alltag.

Leider seien es bisher nur die Insider und die Marketingleute, die das Sagen hätten.

Aber es geht nicht nur um die jeweils neuesten Geräte, sondern auch darum, wie wir sie nutzen.

(Da hätte ich schon einen Merksatz für ein Lernplakat: „Im Zug nicht das ganze Abteil unterhalten, wenn ich telefoniere.“)

7.) Relationship Management

Beziehungen in digitalen sozialen Netzwerken gestalten sich anders als im realen Leben. Die digitalen Beziehungen beeinflussen generell das Zusammenleben und das muss man verstehen lernen, um zukunftsfähig zu werden.

(Die achte Kompetenz lasse ich weg. Es wird zu lang.)

Zwei schon traditionelle Kompetenzen, Zeitmanagement und Umgang mit Geld müssten geupdated werden.

Das Original hier (futuristspeaker.com)
Für das Informationsmanagement gibt es schon Trainingskurse und Trainer/-innen. Das könnte m. E. das Vorbild für die fehlenden Curricula und die Kompetenzvermittler/-innenausbildung abgeben.

Nachtrag:

Der Bluff der Kompetenzorientierung

In der FAZ v. 14.10.10 berichtet der Biologiedidaktiker Hans-Peter Klein der Uni Frankfurt/M. von einem bemerkenswerten Experiment.

Nach dem PISA-„Schock“ wurden und werden die deutschen Lehrpläne völlig umgebaut. Das Anhäufen von Wissen, die Überfrachtung des Unterrichts mit Lehrstoff wurden abgelöst von Kompetenzorientierung. Damit soll ein besseres Abschneiden bei zukünftigen PISA-Tests sichergestellt werden.

Klein meint nun, dass die Bedeutung der Inhalte zugunsten von Methodenorientierung geschwächt wurde. Bei den Methoden ginge es aber nicht um spezifische Fachmethoden, die zum Verständnis des Fachwissens beitrügen, sondern um übergreifende Bearbeitungsformen vorgegebener Wissensbestände. Unterricht entferne sich von soliden Fachkenntnissen. Maßgeblich sei vielmehr die ansprechende multimediale Präsentation vorgegebenen Wissens. Überspitzt formuliert: Schüler/innen wüssten immer weniger, das aber und sich selbst könnten sie immer souveräner präsentieren.

Klein führte ein Experiment durch. Er gab Neuntklässlern eines Gymnasiums je eine Leistungskurs-Biologieaufgabe im alten und neuen Format. Untersucht werden sollte, ob die Schüler/innen ohne die Kenntnisse der nachfolgenden Schuljahre die Aufgaben lösen könnten. Während die Abituraufgabe alter Art von keinem gelöst wurde, schafften über 80% die kompetenzorientierte Aufgabe neuer Art. Für Klein ergibt sich das daraus, dass nunmehr nichts mehr gewusst oder analysiert werden soll, sondern reproduziert werden muss, was im Textteil der Aufgabe steht. Das wiederholende Variieren des Textes reiche völlig aus.

In NRW wurde beobachtet, dass die Abiturnoten durchweg besser geworden seien. Nur die Bestnoten nähmen ab. Dieses Phänomen sei durch eine Befragung von sehr guten Schüler/innen erklärt worden: Sie können es nicht fassen, dass alle für die Antwort nötige Information schon im Text vorgegeben sei. Da sie sie in der Antwort nicht wiederholten, fehlten ihnen Punkte.

Nachtrag: Der Wiener Philosophie- und Pädagogikprofessor Konrad Paul Liessmann hat eine „Nachlese zu PISA“ geschrieben.

Da es nur noch um Qualifikation und nicht mehr um Bildung gehe, vermutet er, dass zukünftige Bildungsforscher einmal in der schwammigen Kompetenzorientierung den didaktischen Sündenfall unserer Epoche sehen werden.

Nachtrag 7.10.12: Prof. Klein in einem Interview in der FAZ v. 6.10.:“Gottseidank unterrichten … viele Lehrer nach wie vor fachlich orientiert. Das hat bisher verhindert, dass der Karren an die Wand gefahren wurde.“ und „Ein Schulleiter gab diesen Rat: ´Selbst wenn ihr in der A`biturarbeit wegen des umfangreichen Materials glaubt, nicht zurechtzukommen, schreibt das ganze Material einfach ab, für ein Ausreichend reicht das allemal.“

Nachtrag 19.10.13: Sehr viele grundsätzlicher kritisiert Blogger gebattmer die Komptenzorientierung als „neoliberales“ Projekt, in dem durch Individualisierung und kleinteilige Handlungskontrolle „flexible Menschen“ (R. Sennett) ausgebildet werden. (Gute Literaturhinweise!)

FAZ v. 14.10.14

Interview mit der Wirtschaftswoche, 16.10.14