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Erst einmal gründlich erforschen

Passt ganz gut zum vorhergehenden Artikel, in dem gezeigt wird, wie man in den USA pragmatische, kostengünstige Lösungen findet.

In Deutschland läuft das eher so:

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) vereinbarten im Oktober 2012 die gemeinsame Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS). Ziel des fünfjährigen Forschungs- und Entwicklungsprogramms  ist es, die sprachliche Bildung von Kindern sowie die in den Ländern bereits bestehenden zahlreichen Angebote zur Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Effizienz wissenschaftlich zu überprüfen und weiterzuentwickeln. (Zitat aus der Pressemitteilung; vor vier Jahren habe ich das Projekt schon einmal vorgestellt, damals wie heute skeptisch, ob mehr dabei herauskommt als ein Beschäftigungsprogramm für Sozialwissenschaftler*innen und ein folgenloser Abschlussbericht.

Dies soll beschrieben, erforscht, implementiert, evaluiert usw. werden:

biss_module

Dies ist das Projektorganigramm:

biss_organgramm

Näheres zum Lenkungsausschuss:

Die zentrale Steuerung der Initiative soll durch einen Lenkungsausschuss übernommen werden, dem Vertreter des BMBF, des BMFSFJ, der Länder sowie der kommunalen Spitzenverbände und der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege angehören. Darüber hinaus sollen das Trägerkonsortium sowie – je nach Erfordernis – ggf. weitere wissenschaftliche Expertinnen und Experten mit Gaststatus vertreten sein.
Der Lenkungsausschuss setzt sich zusammen aus
15 stimmberechtigten Mitgliedern:
4 Vertretern der Länder (Schulseite)
4 Vertretern der Länder (Elementarbereich)
1 Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und 2 Vertretern der Spitzenverbände der
freien Wohlfahrtspflege
4 Vertretern des Bundes (BMBF, BMFSFJ)
sowie 4 weiteren Mitgliedern:
1 Vertreter des Sekretariats der KMK
3 Vertretern des Konsortiums mit Gaststatus
Insgesamt umfasst der Lenkungsausschuss 19 Personen. Er tritt pro Jahr zu ein bis zwei
Sitzungen zusammen, Beschlüsse müssen im Konsens der stimmberechtigten Mitglieder
gefasst werden.

 

Hier kann man die Projektbeschreibung nachlesen.

2013 schrieb ich im Hinblick auf die bisherige „Versandung“ von Projekten des BMBF und mit wenig Hoffnung auf unterrichtsrelevante Erträge von BISS:

„Vielleicht sind in den Instituten und Sonderforschungsbereichen noch Kapazitäten frei für:

  • eine Sekundäranalyse der Strategien und Module, die bisher zur Steigerung der Lesekompetenz entwickelt wurden
  • eine Untersuchung, inwieweit diese Modelle Eingang in die Unterrichtspraxis gefunden haben
  • eine Studie, ob diese Forschungsarbeiten zur Steigerung der deutschen PISA-Ergebnisse beigetragen haben“

Eine (veraltete) Übersicht über Forschungsprojekte gibt eine Expertise des BMBF: „Förderung von Lesekompetenz“ aus dem Jahr 2005, z. B. „Lesestart„.

In zwei Jahren, 2018, sollen die Lehrkräfte „wissenschaftlich erprobte Tools“ zu jedem BISS-Modul erhalten. 😉

NB.: Schulbibliotheken spielen in den Forschungsprojekten des BMBF so gut wie keine Rolle, vielleicht einmal eine halbe Seite von 300. Auch in der universitären Leseforschung tun sie das nicht. Eine der bekanntesten deutschen Leseforscherinnen hatten wir einmal als Rednerin zu einem Hessischen Schulbibliothekstag eingeladen. Bei einer anderen Begegnung antwortete sie auf die Frage des LAG-Vorsitzenden nach der Wirkungsforschung zu Schulbibliotheken, dass ihr derartiges nicht bekannt sei.

Eine andere Wissenschaftlerin, die ich per Mail fragte, warum sie Klassenbibliotheken empfehlen würde, aber keine Schulbibliotheken, antwortete gar nicht erst.

Warum werden die Bildungsdaten der Bundesländer verheimlicht?

Die FAZ vom Tage (S. 20) zitiert aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums. Die Gutachter kritisieren, dass die Bildungsdaten der Länder zurückgehalten würden.

In den PISA-Erhebungen würden deutsche Schüler mit ausländischen Schülern verglichen, obwohl der Vergleich oftmals schwierig sei (z. B. unterschiedliche Einschulungsalter; GS). Innerhalb Deutschlands aber solle nicht verglichen werden. Dabei probierten die Kultusminister der Länder Schule seit 15 Jahren Veränderungen aus, aber über Erfolg oder Misserfolg gäbe es keine (öffentlichen; GS) Daten.

 

Studien zur Gemeinschaftsschule

Der Abschlussbericht der Studie zu baden-württembergischen Gemeinschaftsschulen liegt jetzt vor.

Gemeinschaftsschulen sind laut Wikipedia eine Variante von integrierten Gesamt- und Einheitsschulen. Sie sind Ganztagsschulen der Klassen 1-10, mit innerer Differenzierung, ohne Ziffernnoten und Sitzenbleiben.

Die Gesamtschulen waren umstritten, weil sie die traditionelle deutsche Teilung in drei Lernniveaus aufgaben: Haupt-, Realschule und Gymnasium. Gesamtschulen kannten nur Unterricht ohne Trennung nach Leistung und Trennung nach Leistung in Englisch und Mathematik, evtl. auch Deutsch. Die Gemeinschaftsschulen haben keine Differenzierung nach Leistung in getrennt laufenden Kursen.

Vorab war die vernichtende Auswertung einer Vorzeigeschule bekannt geworden.

Heike Schmoll, für Bildung und Schule in der FAZ verantwortlich, hat sich die Studie angesehen. Sie ist bekanntermaßen keine Anhängerin der Schulstrukturveränderungen und des kompetenzorientierten Unterrichts.

Was findet sie in dem Report? Die Erziehungswissenschaftler/-innen hätten herausgefunden, dass

  • eine ruhige Arbeitsatmosphäre im Unterricht förderlich ist
  • Gemeinschaftsschulen nicht besser und nicht schlechter als andere Schulen sind
  • leistungsstärkere Schüler die in Gemeinschaftsschulen beliebten Selbstlernphasen besser bewältigen als leistungsschwächere

150.000 € hat diese Studie gekostet.

Während die Landesregierung bestritten hatte, dass man von dem einen vernichtenden Bericht über eine Vorzeige-Gemeinschaftsschule auf alle 271 Schulen schließen könne, so reichen jetzt zehn untersuchte Schulen aus, um alle 271 Schulen zu repräsentieren.

In den Gemeinschaftsschulen des Südweststaats gibt es bisher keine Lernstandserhebungen, wie sie in den anderen Schulformen vorgeschrieben sind. Über Schülerleistungen in der Gemeinschaftsschule oder gar einen Leistungsvergleich mit den alten Schulformen kann daher nichts ausgesagt werden.

Ich weiß aus den hessischen Jahren der integrierten Gesamtschulen (IGS), dass die ambitionierten Ziele vor allem an zweierlei scheiterten:

  • Eine Lehrerausbildung für konsequente innere Differenzierung des Unterrichts gab und gibt es nicht. Sogar in der gemeinschafts- und gleichheitsaffinen DDR hat man die späteren Abiturienten nach der 8. Klasse aus der Einheitsschule herausgenommen und gesondert unterrichtet und für leistungsstarke Schüler Spezialschulen eingerichtet.

In der Lehrerausbildung kommt innere Differenzierung durchaus vor. Es ist aber mehr eine Übung für „Vorführstunden“.

  • Eine Berücksichtigung der besonderen Belastungen der IGS-Lehrer bei Arbeitszeit und Stundendeputat fand nur rudimentär statt (i. d. Regel 24 statt 26 Stunden für H/R-Lehrer und 22 statt 24 Stunden für Gymnasiallehrer). Dabei musste jede Stunde vereinfacht gesagt dreimal geplant werden: auf Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialniveau, gegebenenfalls auch für die integrierten, heute: inkludierten Schüler mit Handicaps.

Auch wurden individualisierte Diagnose- und Förderpläne verlangt. So weit es äußere Fachleistungsdifferenzierung gab (in Englisch und Mathematik), gab es im Laufe des Schuljahres Auf- und Abstufungen mit Tests, Beratungskonferenzen und schriftlichen und mündlichen Elterninformationen. Eine ziemlich teure Angelegenheit, wenn man die Lehrer adäquat ausgebildet und dem Aufwand entsprechend bezahlt hätte.

Ein Spaßvogel hat einmal eine Gebührenordnung für Lehrer entworfen. Wenn man weiß, dass ein Arzt für eine „ausführliche, auch telefonische Beratung“, die i. d. Regel nicht länger als 20 Minuten dauert, laut GOÄ so viel berechnen kann, wie ein Lehrer für 45 Minuten Unterricht, in den er mindestens zwei Stunden Vorbereitung investiert hat, wird man nachdenklich oder tritt in die GEW ein. Beim Lesen der GOÄ wird einem auch deutlich,  dass da jede Verrichtung als Einzelposten in Geld umgerechnet wird.

Als Lehrer kommt man gar nicht auf die Idee, den Eltern für eine mündliche oder telefonische Sprechstunde eine Rechnung zu schicken oder die schriftliche Begründung einer schlechten Note als „ausführlichen Bericht, inkl. Porto“ abzurechnen oder für den Elternabend das Überstundenkonto zu belasten oder die Vertretungsstunde dem Dienstherrn oder der Dienstherrin in Rechnung zu stellen.

Der Beamtenstatus ist für Eltern und Staat eine preiswerte Lösung.

Nachtrag: Berliner Erziehungswissenschaftler bescheinigen dagegen Berliner Gemeinschaftsschulen, dass sie besser wären als Hamburger Schulen des dreigliedrigen Systems. Warum vergleichen die nicht innerhalb Berlins?

Es wäre aber auch schlimm, nachdem der Senat 22 Millionen € in Gemeinschaftsschulen gesteckt hat, wenn die nicht mehr liefern würden als das bisherige Schulsystem. Aber die Erziehungswissenschaft muss sich fragen lassen, ob Kaffeesatzlesen nicht vielleicht eine billigere Methode wäre als empirische Schulforschung. Das gesparte Geld könnte man dann in mehr Bildung stecken.

Geheime Schulforschung?

Nein, es geht nicht um NSA und BND. Es geht um BW, um die Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg (BW). In der Gemeinschaftsschule, einem rotgrünen Projekt, werden die Kinder in den Klassen 1 – 10 in heterogenen Lerngruppen (Motto: „Vielfalt macht schlauer“) unterrichtet, Es gibt keine äußere Differenzierung (Trennung nach Leistung in einzelnen Fächern), kein Sitzenbleiben. Ziffernnoten gibt es erst in den Abschlussklassen. die Lehrer sind „Lernbegleiter“. Die Schüler arbeiten vor allem im Wochenplanstil ihre Lernpakete ab.

Jetzt gab das Kultusministerium eine Studie in Auftrag, die die Schulen evaluieren sollte. Nun liegen erste Ergebnisse einzelner Schulen vor. Die Bildungsredakteurin der FAZ, Heike Schmoll, entschiedene Gegnerin von Nivellierung des gegliederten Schulwesens, hält das Ergebnis der Untersuchung einer der renomiertesten Modell-Gemeinschaftsschulen, Pilgerstätte für Lehrerkollegien, in Händen. Sie behauptet, das Ministerium würde die Studie unter Verschluss halten, weil sie grottenschlecht ausgefallen sei.

Nun protestieren die Erziehungswissenschaftler aus den Pädagogischen Hochschulen des Landes entschieden:  Das Ministerium würde nichts wegschließen. Sie bekämen den Bericht überhaupt nicht. Datenschutz! Sie dürften die Ergebnisse gar nicht weitergeben.  Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Auftraggeber und Finanzier der Untersuchung bekommt sie gar nicht zu Gesicht.

Was die Forscher herausfanden? Lernstärkere Schüler kommen zu kurz. Die Lernbegleiter würden die einzelnen Schüler nicht intensiv begleiten, sondern vor allem Vollständigkeit und (Rechtschreib-)Richtigkeit der Aufgaben überprüfen. Die Lernzeit werde nicht effizient genutzt, es gebe viel Leerlauf. Bei manchen Lehrern seien die Klassenführungskompetenzen nicht ausreichend entwickelt (will sagen: Es ist zu laut im Unterricht, es gibt viele Störungen, es ist kein konzentriertes Arbeiten möglich.)

Außerdem, so die Wissenschaftler, dies sei das Ergebnis einer einzelnen Schule und nicht aller untersuchten Schulen.

Wahrscheinlich ging es gar nicht um eine Evaluation. Die Erziehungswissenschaftler sollten wohl – nur -Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsschulen geben. Dann wäre die Datenerhebung zum Ist-Stand nur internes Material, das keinen etwas angeht. Dumm gelaufen!

Öfter mal lüften

Nicht nur Schulbibliotheken führen zur Steigerung von Schülerleistungen (in den USA). Öfter mal Frischluft ins Klassenzimmer lassen, führt auch zur Leistungsverbesserung. Das wollen Forscher/-innen der dänischen Universität in Aarhus herausgefunden haben. 7% betrage die Steigerung.

Wobei nicht ganz klar ist, ob in der Vergleichsgruppe nie oder weniger gelüftet wurde. Auch das Lüftungsverhalten vor dem Versuch ist mir unklar. Sind die Klassen während des Lüftens bzw. Nicht-Lüftens von derselben Lehrkraft unterrichtet worden?

Nach Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.5., die sich auf das Journal Indoor Air beruft)

Dissertation als Mogelpackung?

Die neueste Ausgabe der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie enthält eine Rezension von Dr. habil. Heike Diefenbach zu Sind Mädchen besser? Der Wandel geschlechtsspezifischen Bildungserfolgs in Deutschland. Frankfurt a. M.: Campus 2012, von Marcel Helbig, Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin.

Frau Diefenbach ist Mitautorin des Wissenschaftsbogs Science Files. Im Blog wird aus dieser Rezension zitiert.

 

 

Empirische Bildungsforschung und Fluglärm

Kein überzeugendes Ergebnis empirischer Bildungsforschung sieht der Blog Zettels Raum in einer Studie, die herausgefunden haben will, dass Fluglärm deutsche Schüler beim Lernen behindert, diejenigen mit Migrationshintergrund aber nicht. In meiner Familie gibt es die Vermutung, dass die deutschen Familien sehr viel mehr über den Fluglärm reden und dadurch die Kinder beeinflussen.

Wie sich Schulzeitverkürzung auf die Persönlichkeitsstruktur von Schülern auswirkt

Empirische Sozialforschung vom Feinsten, findet Michael Klein in seinem Blog Science Files:

Nach der Reform – Abitur nach 12 statt 13 Jahren – sind, so die Studie,

  • männliche Schüler umgänglicher als weibliche
  • ostdeutsche Schüler weniger umgänglich als westdeutsche und zudem neurotizistischer
  • Schüler aus einer nicht-intakten Familie (was auch immer das sein mag) offener und extrovertierter als Schüler aus einer intakten Familie
  • Schüler mit Migrationshintergrund gewissenhafter als Schüler ohne Migrationshintergrund.
  • Eine arbeitende Mutter wirkt sich negativ auf die Offenheit von Schülern aus.

Zitat aus Science Files zum Inhalt der Studie: „Persönlichkeit formiert sich auf der Grundlage von Erfahrung (… dass Persönlichkeit einen genetischen Anteil hat, … stört nur beim Datenauswerten, weil man es kaum messen kann, deshalb lassen wir das einfach beiseite) und schuupp-die-wupp haben wir die Hypothese, dass Schule sich auf Persönlichkeit auswirkt und dass dann, wenn man an der Variable “Schule” etwas ändert, man deterministisch wie die Beziehung nun einmal ist, auch etwas an der Variable “Persönlichkeit” ändert.

Geändert wurde die Zeit, die bis zum Abitur zur Verfügung steht. Und daraus konstruieren die Autoren die Vermutung, dass sich dieses eine Jahr und vor allem der hohe “workload” auf die Persönlichkeit der betroffenen Schüler auswirkt. Warum? Wegen des höheren workload! Warum? Niemand weiß es.“

Update 5.6.14:

Der Erziehungswissenschaftler Volker Ladenthin kommt zu einem ähnlich vernichtenden Ergebnis. Er hat drei Jahre Referate und Klausuren von G8- und G9-Studenten verglichen und schreibt in der FAZ von heute darüber. „Es fehlt an Urteilskraft“, FAZ, 5.6.14, p7:

  • Die G8-Studierenden sind kaum zu Abstraktionen fähig
  • Verallgemeinerungen und Transfers gelingen nicht
  • Textanalysen sind sehr vage
  • Problembewusstsein und Sinn für die Komplexität lebensweltlicher Entscheidungen fehlen völlig
  • Die Beziehungen von Freiheit und Bindung, Gesellschaft und Individuum, Gleichheit und Angemessenheit werden nicht konflikthaft, sondern als parallel zu bearbeitende Aufgaben verstanden
  • Aufgrund der kognitiven Entwicklung scheinen(!) die Studierenden nicht in der Lage zu sein, komplexe, antinomische und multikausale Prozesse, wie sie heute in allen Wissenschaften üblicherweise formuliert werden, angemessen aufzunehmen.

Wow! Was ein paar Monate weniger Unterricht ausmachen!

Zugegeben, in der psychosozialen Entwicklung Heranwachsender gibt es Sprünge und Schübe. Nach einer Woche Ski-Freizeit (Wie das Unternehmen missverständlich genannt wurde) waren fast immer – positive – Veränderungen festzustellen, u. a. mehr Selbstsicherheit, mehr Anstrengungsbereitschaft…

Das meiste von dem, was Prof. Ladenthin in seiner Studie beklagt, war schon zu G9-Zeiten im Unterricht festzustellen: Verallgemeinerungen und Transfers gelingen nicht, Textanalysen sind vage, Abstraktion fällt schwer. Zu fragen wäre auch, ob G8-Schüler mehr kompetenzorientiert unterrichtet wurden und ihre Leistungen in standardisierten Tests abgefragt wurden. Es gibt Befunde, dass man dann eher lerne, Lösungen in den vorgegebenen Texten zu finden, anstatt auf eigenes Wissen zurückzugreifen und selbst nachdenken zu müssen.

Studien, die ich mir von unseren Erziehungswissenschaftler/-innen wünsche:
  • Welche Schwierigkeiten haben Erwachsene mit komplexen Aussagen?
  • 60 Jahre G8 in Ostdeutschland: Fiel das nie auf, dass die dortigen Abiturienten scheinbar schlechter denken können und wissenschaftlichen Anforderungen nicht gewachsen sind?
Zur Qualitätsverbesserung wissenschaftlicher Studien ist auch dieser Artikel in Science Files hilfreich.

 

John Hattie auf Deutsch erschienen

John Hattie, Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen, Hohengehren 2014

Es ist der Folgeband zu seiner umfangreichen Untersuchung, mit knapp 170 Seiten Text (in der englischen Ausgabe “Visible Learning for Teachers“). Es geht um die Konsequenzen der Studie für den Unterricht.

  • Siehe im Blog 2012 hier!

Die Hamburger KESS-Studien: Schüler jedes Jahr besser!

Der Frankfurter Biologiedidaktiker Hans-Peter Klein ist den jährlichen Erfolgsmeldungen der Hamburger Bildungsbehörde nachgegangen und kommt zu erstaunlichen Befunden:

Seit 2008 ist im Fremdsprachenabitur die sprachliche Richtigkeit der Wörter kein Kriterium mehr. Hauptsache, man versteht, was gemeint ist. Bis 2005 waren nur einsprachige Wörterbücher zugelassen, jetzt sind es auch zweisprachige.

In Mathematik wurde die Zahl der Aufgaben verringert, zwei statt drei Aufgaben. Gefragt sei vor allem Taschenrechnerkompetenz. Im Erwartungshorizont für die Biologieaufgaben heiße es: „… da die Lösung direkt aus dem Arbeitsmaterial abgelesen werden kann…“

In den jährlichen KESS-Studien würde die Zunahme der Abiturientenzahlen (54%) und die Leistungssteigerung trotz G8 hervorgehoben. Die Kompetenz- und Einstellungsmessung der Hamburger Schüler (KESS) fände allerdings, so Klein, auf Mittelstufenniveau statt, z. B. unter Verwendung von TIMMS-Aufgaben aus den 90er Jahren. In der mathematischen Grundbildung müsse der Schüler z. B. ausrechnen, was 90 x 12 ergäbe.

Hans Peter Klein, Hamburgs wundersame Abiturientenvermehrung, FAZ, 11.10.13, p 7

Ideologisierung der Wissenschaft

Aus „science files“:

„Für uns sind Wissenschaft im Allgemeinen und die Sozialwissenschaften im Besonderen deshalb und zunehmend diskreditiert, weil immer mehr Ideologen von links und rechts in die Wissenschaft drängen und dort ihre Weltsicht als Wissenschaft verkaufen. Wissenschaft im Allgemeinen und die Sozialwissenschaften im Besonderen sind deshalb diskreditiert, weil die wissenschaftliche Methode immer unbekannter wird, weil Personen auf Lehrstühlen sitzen, die denken, ihre momentane “Grille” oder ihre fixe Idee, nach der z. B. Geschlecht ganz besonders wichtig sei, rechtfertige ihr Dasein als Wissenschaftler. Entsprechend sind pseudo-intellektuelle Betrachtungen an die Stelle wissenschaftlich präziser Aussagen getreten, entsprechend sind ideologische Vorlieben die Maßstäbe, an denen Studenten gemessen werden.“