Schlagwort-Archive: Leseförderung/Lesen

Lesefähigkeit mit Audiobooks steigern

Am US-amerikanischen Schulbibliothekswesen bewundere ich nicht zuletzt die speziell auf Schulen und ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten zugeschnittenen Lösungen bei der Digitalisierung der Schulbibliotheken. Beispiele habe ich in diesem Blog mehrfach gegeben. So etwa Follett Destiny oder Brain Hive.

Jetzt lese ich von Tales2Go, einer Plattform, die zurzeit 6.000 Audiobooks anbietet. Da es in Deutschland kein Schulbibliothekswesen gibt, das Schulbibliotheken als Teil der Schule begreift, für das Schulträger und Staat Verantwortung übernehmen und spezifische Lösungen schaffen müssen, muss eine deutsche Schulbibliothek z. B. sich der Onleihe bedienen, einem Verfahren des Ankaufs und der begrenzten Ausleihe von E-Books, das teuer ist und zu den Bedürfnissen der Schulalltags schlecht passt, abgesehen, davon, dass sich das nur finanziell gut dastehende Schulen leisten können oder Schulbibliotheken, die Teil einer leistungsfähigen öffentlichen Bibliothek sind.

Die Geschäftsmodelle von Brain Hive und Tales2Go sind auf Schulen zugeschnitten, also bei den Kosten sehr übersichtlich und nicht an klassischen bibliothekarischen Ausleihverfahren orientiert.

Dass sich jetzt Tales2Go zu einem Renner in den Grundschulen entwickelt, liegt an den Erfahrungen der Lehrer und ist auch durch wissenschaftliche Untersuchungen abgesichert: Schüler*innen, die regelmäßig (durch Audiobooks) vorgelesen bekommen, verbessern ihre Lesefähigkeit enorm. Sie können die Audiobooks auf ihren digitalen Geräten in der Schule und zu Hause hören und den Text mitlesen.

Natürlich könnte man die Eltern dazu bringen, (mehr) vorzulesen. Das wäre auf den ersten Blick noch billiger.

Schade, dass sich in Deutschland der Staat (Bund und Länder) davor drückt, Plattformen, Softwarelizenzen, Programme wie die oben genannten für Schulbibliotheken zu ermöglichen. Bei Schulbibliotheken Lösungen zu finden, die sich an den administrativen Gegbenheiten des Schulwesens orientieren, nämlich alle Schulen einer Region, eines Landes in den Blick nehmen, ist unbekannt. (Oder soll nicht sein.) Es herrscht die bei öffentlichen Bibliotheken übliche Atomisierung vor: Jede Bibliothek kauft für sich E-Books, Lizenzen, Katalogisierungsprogramm.

Stattdessen verweist er die Schulen auf die Zusammenarbeit von öffentlichen Bibliotheken und Schulen und gibt, wie in Hessen geschehen, einer Stadtbibliothek Geld im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, damit die digitale Lesegeräte anschafft, die dann von der Schule ausgeliehen werden können.

 

Empfehlungen für Klassenlektüre

Von Nutzer_innen der Stadtteil- und Schulbibliothek in der Weibelfeldschule, Dreieich/Hessen kommen Empfehlungen für Klassenlektüren für die SI (5-10). Dipl.-Biblliothekarin Linda Hein hat sie zusammengestellt.

Es sind bewährte, langlebige Stücke darunter, aber auch jüngere Klassiker (Die Wolke, Die Welle, Tschick, Das Schicksal ist ein mieser Vertreter, Tote Mädchen lügen nicht).

Am Schluss gibt es noch den Tipp, Texte nicht „kaputt zu analysieren“.

Stephen D. Krashen: The Power of Reading

Der Linguist Prof. em. Stephen D. Krashen vertritt die These, dass freies, freiwilliges und häufiges Lesen die beste Lese- Spracherziehung ist: By reading we learn to read.

Jetzt gerade hat er sich in Iowa zu Wort gemeldet. Dort will das Parlament die Lesefähigkeit (Literacy) der Kinder durch zusätzliche Kurse im Kindergarten und den ersten drei Schuljahren erhöhen. Krashen plädiert dagegen für mehr Bibliotheken.

(Danke an Lourense Das für die Info)

Bewegtes Vorlesen

Die Stiftung Lesen informiert über ihre „innovative und nachhaltige Bildungsinitiative“ Lesen in Bewegung, die sie mit der Baden-Württemberg Stiftung (sic)  im Südweststaat durchführt.

Es geht ihr darum, „die Leseförderung mit Bewegungsansätzen mit Ziel [zu verbinden], Freude am Lesen zu wecken und die motorischen, emotionalen und kognitiven Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen zu stärken.“

Wie muss ich mir das vorstellen? Ich dachte bisher, dass man beim Vorlesen konzentriert zuhört, dass man sich nicht ablenken lässt, dass Bilder im Kopf entstehen. Wie bewegt man sich zum Vorgelesenen? Ein Videoclip zeigt, was gemeint ist.

Hat das jemand ausprobiert? Es wäre schön, davon zu hören.

Bewegtes Vorlesen

Liebeserklärung an eine Bibliothek

Eine Bibliothek, die Stadtbibliothek seiner Heimatstadt, ist mit ihren Gerüchen und Geräuschen, ihren Räumen und Bücherregalen für den Regisseur Jason La Motte unauslöschlich im Gedächtnis gespeichert.

In einem Kurzfilm setzt er öffentlichen Bibliotheken ein berührendes filmisches Denkmal. Eine junge Schülerin folgt geheimnisvollen Zetteln mit Buchsignaturen, findet romantische Textstellen und findet die traurig-schöne Ursache für die Schnitzeljagd.


(via blog.digithek.ch)

Initiative des Weißen Hauses zur Förderung des Lesens mit E-Books

In den USA ist das Schulwesen Sache der Bundesstaaten. Wobei die kommunalen Gebietskörperschaften erhebliche Handlungsspielräume besitzen. Dennoch kann das Weiße Haus durch Zuweisung von Geldern immer wieder Programme starten, mit denen das Schulwesen verbessert werden soll. So zuletzt vor zwei Jahren ConnectED. Damit sollen die Schulen fit für die Nutzung des Internets gemacht werden.

Dazu gehört seit diesem Jahr auch die Initiative, über E-Books Kinder zum Lesen zu motivieren. Die New York Public Library will über eine App gemeinfreie E-Books erschließen und zugänglich machen. Namhafte Verlage – z. B. HarperCollins, Macmillan, Hachette, Simon & Schuster – stellen für drei Jahre eine größere Anzahl erfolgreicher E-Book-Titel kostenlos für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien zur Verfügung. Stadtbüchereien geben kostenlose Büchereiausweise an Schüler aus.

Die Non-Profit-Organisation FirstBook bietet Lehrern in Klassen mit überwiegenden Schülern aus einkommensschachen Familien Bücher zu reduzierten Preisen an, teilweise nur gegen Versandkosten. Sie wollen jetzt dazu beitragen, die E-Book-Verbreitung in ihrer Zielgruppe umzusetzen.

Lesen fördert friedliches Zusammenleben

Endlich habe ich Steven Pinkers phänomenales Werk „Gewalt – Eine neue Geschichte der Menschheit“ beendet. Auf über 1.000 Seiten dokumentiert er, dass es in der Menschheitsgeschichte einen stetigen Rückgang von Mord, Gewalt und Krieg gibt. Noch nie sei die Welt so friedlich gewesen wie heute.

Das läge daran, dass die Vergangenheit allzu gerne verklärt werde. Frühere Generationen hätten unter einem unvorstellbaren Ausmaß an Gewalt gelitten. Wer sich durch die Seiten durchkämpft – wohl ein eher unpassender Ausdruck angesichts des Themas – erfährt von Kriegen und Massakern, die in unseren Geschichtsbüchern unerwähnt bleiben. Es gibt eine, ebenfalls weitgehend unbekannte Kriegsforschung, die versucht, möglichst alle Kriege und Bürgerkriege und ihre Toten zu erfassen und diese in Bezug zur Bevölkerungszahl zu setzen. Dabei zeigt sich, dass die Menschenverluste etwa im Amerikanischen Bürgerkrieg oder im 30jährigen Krieg größer waren als im Zweiten Weltkrieg.

Pinker benutzt allerdings nicht nur statistische Verfahren. Er zeigt, dass die Entstehung der modernen Staaten in der Neuzeit mit ihrem Gewaltmonopol und dem Aufbau einer Justiz innerstaatlich gewaltmindernd wirkt,  ebenso die Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten, die Abschaffung der Sklaverei, das Ende von Hexenverbrennungen und der Inquisition. Zwischenstaatlich seien konfliktverhindernde Regeln entstanden. Auch der Austausch durch Handel habe sich gewaltmindernd ausgewirkt. Ein Win-Win-Situation würde Frieden erhalten, anders als die Ausbeutung eines Landes durch ein anderes.

Ich will den Inhalt hier nicht zur Gänze referieren. Ich weiß aus Gesprächen, dass ich lebhaften Widerspruch ernte, wenn ich Pinkers Erkenntnisse vertrete. Die Zeitungen wären doch voll von Krieg und Mord und Totschlag, der Zweite Weltkrieg wäre der schlimmste aller Kriege gewesen usw. „Früher war es noch schlimmer“, würde Steven Pinker antworten, der Rückgang sei messbar.

Warum ich das Buch überhaupt in diesem Blog erwähne? Pinker beschreibt auch die Fähigkeit zu lesen, den Buchdruck, die Ausbreitung der Leihbüchereien und die Lektüre von Romanen und Erzählungen als Faktoren der Humanisierung der Gesellschaft. Der geistige Horizont habe sich erweitert, man habe von anderen Völkern und Ländern erfahren. In den Romanen ging es um normale Menschen, nicht um Helden oder Kaiser und Könige. Ein Buch wie „Onkel Toms Hütte“ habe vielen weißen Amerikanern die Augen geöffnet, ähnlich wirkte „Oliver Twist“.

Leseförderer wissen schon aus der Lese- und Leserforschung: Lesen fördert Empathie. Man versetzt sich in andere Menschen, man übernimmt ihre Perspektive, man zeigt Mitgefühl.

All dies habe den Siegeszug des Humanismus gestärkt.

Ebenfalls von Steven Pinker und genauso beeindruckend: „Wie das Denken im Kopf entsteht“.
(Ich lese solche solide recherchierten Werke lieber als die hoch gelobten spekulativen, stellenweise schlicht falschen Thesen von Piketty, Zizek oder Joseph Vogl über Zustände in unserer Gesellschaft.)