Ich gebe zu: Es fällt mir manchmal schwer, mich nicht aufzuregen.
Diesmal ist es eine neue Studie von Bitkom, dem Lobbyverband der IT-Industrie, zur Verbreitung und Nutzung von Smartphones bei Kindern und Jugendlichen. Nicht viel Neues: die Verbreitung nähert sich ab dem Alter 12 den 90%. Genutzt werden sie, auch im Unterricht, zum Chatten, Fotografieren, Musik hören. 75% haben angegeben, dass sie das Tafelbild fotografierten. (Entstehen wirklich außerhalbn von Prüfungsstunden noch Tafelbilder, die man aufbewahren sollte?) Eine Minderheit von 20% nutzt das Gerät auch zum Telefonieren. (Ob diese Zahl nur für die Zeit in der Schule gilt, müsste man nachsehen. Ich glaube, dass die Telefonfunktion der Geräte grundsätzlich eher zweitrangig geworden ist. Ich habe aber wenig Lust, die ganze Studie zu lesen.)
Am Schluss des Artikels, den ich gerade lese (FAZ 18.2.15, p 23) kommt die eigentliche Ursache meines Ärgers. Der letzte Absatz lautet nämlich:
„Smartphones gehören zum Alltag von Schülern und sind damit natürlich auch Teil der Schule“, kommentierte Bitkom-Vizepräsident Achim Berg die Ergebnisse. Umso wichtiger sei es, Schülern Medienkompetenz zu vermitteln, damit die Geräte auch im Unterricht sinnvoll genützt würden.
Ich zitiere vorsichtshalber nicht mehr, um nicht Ärger mit der FAZ wegen nicht-lizenzierter Verwendung ihres Textes zu bekommen. Was folgt, ist dann das übliche: Die Lehrer wären nicht geschult, sie könnten mit den neuen Technologien nicht umgehen, die Wirklichkeit in den Schulen sähe anders aus, die Lehrer würden bloß verbieten…
Textbausteine wie dieser dürfen in keinem einschlägigen Zeitungsbericht und in keiner neuen Studie fehlen.
Es ist das beliebte Spiel: Die IT-Industrie erfindet neue Gadgets. Den Pädagogen wird von empirischen Bildungsforscher/-innen nachgewiesen, dass sie keine Ahnung davon hätten. Medien- und Informationswissenschaftler/-innen entwerfen K-12-Curricula, in die sie prozessorientierte Kompetenzmatrizen für den Umgang mit IT-Geräten und -Software implementieren. Bildungspolitiker/-innen schreiben Google- und PowerPoint-Kompetenzen in die Abiturprüfung. Von den Leitartikler/-innen und den IT-CEOs wird den Lehrpersonen empfohlen, sich doch bitte pädagogisch mit den Smartphones und ihren Besitzer/-innen auseinanderzusetzen; sie seien ja nun schließlich Pädagogen. Und dann gibt es noch die Gurus unter den Kollegen oder Erziehungswissenschaftler/-innen oder IT-Programmierer/-innen, die behaupten, mit dieser oder jener App sei die alte Schule tot, jeder könne sich damit jederzeit und überall alles selbst beibringen.
Was ich ändern kann, ist meine Einstellung. Ich werde lernen, mich über dieses Gerede nicht mehr aufzuregen.
Die Kinder und Jugendlichen werden den Erwachsenen immer eine Nasenlänge voraus sein. Wenn die Lehrer Facebook in den Unterricht integriert haben, sind sie längst bei Instagram. Wenn sogar die Oma einen YouTube-Channel anlegt, wandern die Enkel zu YouNow ab. Die Wissenschaftler/-innen werden in ihren Studien feststellen, dass Lehrer und Schule wieder keine Ahnung haben. Inzwischen stehen aber in jedem Klassenraum zwei Whiteboards und eine Ladestation für 30 Tablets und die Gurus schwärmen von der pädagogischen Revolution, die GoogleGlass ermöglicht.