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UK: Empfehlungen zu Schulbibliotheken

In Groß-Britannien ist gerade eine Empfehlung zu Schulbibliotheken veröffentlicht worden. Sie trägt den schönen Namen „Beating Heart of the School“. (Man kann also das Wort von der Bibliothek als dem Herz der Schule noch steigern.)

Es sind im Wesentlichen vier Empfehlungen:

  • eine aktuelle Statistik zu britischen Schulbibliotheken erstellen
  • erforschen, was und wie Schulbibliotheken zu Wissen und Erziehung der Schüler/-innen beitragen
  • Ofsted  – die Schulinspektion – soll auch die Schulbibliotheken evaluieren (Anm. GS: Das passiert schon weitgehend, aber nicht flächendeckend)
  • Im Bildungsministerium sollte es eine hochrangige Zuständigkeit für Schulbibliotheken geben.

Das ist nun nicht sehr visionär, es zeigt eher, dass auch in angelsächsischen Staaten das Schulbibliothekswesen Defizite aufweist, zumal in Groß-Britannien. Im Blog stand dazu schon einiges.

Für bemerkenswert halte ich den Hintergrund des Papiers:

Es ist ein Dokument der Libraries All Party Parliamentary Group des britischen Parlaments. Ihr gehören Vertreter des Ober- und Unterhauses an. Solche parteiübergreifenden thematischen Arbeitsgruppen haben keinen offiziellen Status. Sie müssen sich aber registrieren lassen, ihre Vorsitzenden wählen und transparent machen, von wem von außerhalb des Parlaments sie unterstützt werden. Sie sind also eine Art Lobby. Die o.a. Gruppe verfügt z. B. über ein Sekretariat, das der britische Bibliotheksverband CILIP bezahlt.

Mir erscheint das aber transparenter als das frühere hessische Modell zu sein, bei dem ein Landtagsabgeordneter gleichzeitig Vorsitzender des hessischen Bibliotheksverbandes war und parlamentarische Initiativen zu Bibliotheksangelegenheiten zum Missvergnügen der der anderen Fraktionen gerne im Alleingang startete. (Beliebteste Frage: „Ist die Landesregierung nicht auch der Meinung, dass das preisgekrönte IMENS-Modell im Lahn-Dill-Kreis Vorbildcharakter hat?“)

Das Thesenpapier ist nicht das erste (es wird darin auf frühere Forderungen der Arbeitsgruppe, der Schulbibliothekskommission des National Literacy Trust und Ofsted von zuletzt 2011, 2011 und 2013 verwiesen) und wird nicht das letzte sein. Immerhin bleibt das Thema Schulbibliotheken so in der Diskussion und es sind nicht nur Bibliothekare, die (Schul-)bibliotheken gut finden. Zitiert und im Anhang dokumentiert ist eine – von Cilip initiierte – Befragung von Schulleitern.

Wann gab es in Deutschland zuletzt eine Denkschrift zu Schulbibliotheken oder gar eine Schulleiterstudie?

Reine Jungen- und Mädchenbücher scheinen sexistisch zu sein

In Groß-Britannien gibt es eine Online-Petition, die Verlage, Buchhandlung und Medien auffordert, gender-orientierte Kinder- und Jugendbücher nicht zu verlegen, nicht zu besprechen und zu verkaufen. Sie bleibt nicht ohne Erfolg, wie der Independant berichtet, ebenso der Guardian. Die erstere Zeitung geht mit gutem Beispiel voran und verzichtet zukünftig auf die Rezension von Kinder- und Jugendbüchern, die als Zielgruppe jeweils nur ein Geschlecht haben. Das erniedrige Kinder und Jugendliche, wie in der Überschrift des Artikels festgestellt wird.

Eine kalifornische Soziologieprofessorin hat 6.000 zwischen 1900 und 2000 veröffentlichte Kinder- und Jugendbücher untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass 57% einen männlichen Protagonisten haben, nur 31 % eine Protagonistin, auch bei Tiergeschichten sei die Dominanz männlicher Tiere dreimal so hoch. Diese fortwährende Ungleichheit, so die Professorin,  sei eine subtile symbolische Auslöschung der Frau mit Hilfe von Tiergeschichten.

Erwachsene scheinen von der Petition nicht betroffen. Die Abschaffung von Frauenliteraturpreisen und Frauenbüchern wird nicht gefordert.

Die Gendertheorie besagt, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, abgesehen von der biologischen Beschaffenheit, anerzogen werden. Dass z. B. Jungen mit Baukästen und Autos spielen und Mädchen lieber mit Puppen und am liebsten Pferdebücher lesen, sei keineswegs naturgegeben. Jungen bekämen nur keine Chance, mit Puppen zu spielen oder Pferdebücher zu lesen. In Norwegen hat man die Erfahrung gemacht, dass das mit den Puppen und Pferdebüchern bei Jungen sich leider nicht durchsetzt. Jetzt stoppt man die Förderung von Genderlehrstühlen.

In Frankfurt/M haben die drei männlichen Stadtverordneten der „Römerfraktion“ ( wohl als Scherz?) beantragt, dass die Stadtverwaltung zukünftig von Bürger- und Bürgerinnensteig“ spreche, statt die vermännlichende Form „Bürgersteig“ zu benutzen. Der Magistrat lehnte ab. Aber auch in Frankfurt ist der „Fußgänger“ abgeschafft zu Gunsten der „zu Fuß Gehenden“. Das neue gendergerechte Wort für „Fußgängerampel“ wurde noch nicht bekannt gegeben.

Neues Medienzentrum in britischer Grundschule

Die Miriam-Lord-Grundschule in Bradford in der Nähe von Manchester im Vereinigten Königreich hat sich von der Firma demco interiors eine multimediale Schulbibliothek einrichten lassen: Ton-, Fernsehstudio und Computerspielzone, alles mit entsprechender Geräteausstattung. Täglich gehen die Schüler auf Sendung.

Wer möchte, kann sich Fotos auf youtube ansehen.
Die Beschreibung bei demco

Amazon ist gar nicht so

… hat der „Stern“ herausbekommen. In der FAZ hört man vom Amazon-Deutschland-Chef dass die Bürgermeister, Landräte, Job-Center in den strukturschwachen Gebieten, in denen die Versandzentren stehen nicht undankbar sind, dass 10.000 Arbeitsplätze geschaffen wurden.  9,55 € erhielten die Festangestellten.

Was er nicht sagt: Amazon besitzt seit Jahren eine Softwarefirma, die Programme für einen weitgehend automatisierten Versand schreibt. Niemand muss dann mehr 16 km täglich in der Halle zurücklegen.

Nachtrag: In der Nachrichtensendung „rbb-Aktuell“ glaubt man, noch einmal nachtreten zu müssen. Die Redaktion hat entdeckt, dass Amazon Saisonkräfte nicht dauerhaft beschäftigt, sondern vor Weihnachten wieder entlässt. „Wann haben Sie von Ihrer Entlassung erfahren?“ fragt der empörte Reporter eine Betroffene… Bei so viel Empörung blieb dann keine Zeit für Recherche. Amazon übernimmt ca. 10 % der Saisonarbeiter für mindestens ein Jahr. Ob das die Brandenburger Agrarbetriebe mit ihren polnischen Spargelstechern auch so machen? Wär´doch eine Recherche des rbb wert.

Nachtrag Januar 2014: Die Premiumkunden in London und einigen anderen britischen Städten werden jetzt auch sonntags beliefert. Um mehr Kunden im kostenpflichtigen Premium-Abonnement zu gewinnen, wird in Groß-Britannien für Kleinstbestellungen von Büchern wieder Porto eingeführt.

via Börsenblatt des Deutschen Buchhandels

Britischer Schriftstellerverband empfiehlt Autorenlesungen

Die Society of Authors, ein Schriftstellerverband in Groß-Britannien, empfiehlt mehr Autorenlesungen und verbindliche Schulbibliotheken.

Nun war nicht zu erwarten, dass die Autoren von Lesungen in Schulen abraten. Aber dennoch ist die Kurzfassung einer Befragung britischer Lehrer/-innen zum Lesen in der Schule lesenswert. Sie liefert gute Argumente für mehr freies Lesen.(pleasure reading) in der Schule. An OFSTED, die nationale Schulinspektion, appelliert der Verband, sie solle Leseförderaktivitäten als Evaluationsitems aufnehmen.

Nachtrag: US-amerikanische Kinderbuchautor/-innen appellieren an Prädident Obama, dem freien Lesen mehr Raum in den Schulen zu geben. Statt in Büchern zu schmökern und der Fantasie freien Lauf zu lassen, würde zu viel Zeit für Lesetests aufgewandt.

Ein Lob der Schulbibliothek

vom britischen Autor Alan Gibbons im „Guardian“ am 22.3.2013:

„Die Bibliothek ist das Herz der Schule“ sagt er.

„Eine gute Bibliothek ist das Herzstück der Schule. Die besten, die ich besucht habe, werden ab dem frühen Morgen von Jugendlichen besucht, die über Büchern und Zeitschriften brüten, Sie bekommen Hilfe von der Schulbibliothekarin, nutzen die Computer, machen Hausaufgaben, spielen Computerspiele und Schach.

Alle Wege führen in die Schulbibliothek. Einige Schulbibliotheken sind in der Mittagspause so voll, dass unterschiedliche Essenszeiten gibt.

Die Schulbibliothek ist eine Alternative zum Schulhof und zur Cafeteria. Wer sie betritt, sieht Bücherschaufenster, Autorenposter oder Fotos von lesenden Lehrern und Schülern. Auf dem Monitor gibt es Buchempfehlungen.

Es gibt Leseclubs und Schreib-AGs. Die Schulbibliothekarin empfiehlt und berät. Die Schulbibliothek ist das Zentrum von Information und Recherche. Hier entsteht Lesekultur, hier wird das Curriculum vertieft.“

Wissens-basiertes statt kompetenzorientiertes Curriculum

In Groß-Britannien gibt es eine erregte Diskussion über die Politik des konservativen Erziehungsministers Michael Gove. Er hatte gefordert, dass den Schülern wieder mehr Wissen beigebracht werde anstelle von Kompetenzen und Skills. Das derzeitige National Curriculum hat er untersuchen lassen und 2011 eine Kommission berufen, unter deren Leitung ein neues ausgearbeitet wird. Es soll gleichwohl vor allem eine Verschlankung des vorhandenen werden.

Gove bemängelte u. a., dass 15 Jahre alte chinesische Schüler den britischen im Stoff um zwei Jahre voraus seien, dass in Erdkunde nur ein einziges Land vorkomme, nämlich das Vereinigte Königreich und in Geschichte nur zwei Namen von Persönlichkeiten auftauchten. Es bleibe ansonsten den Lehrern überlassen, welchen Stoff sie unterrichteten.

Möglich, dass uns in Deutschland diese Diskussion ebenfalls bevorsteht. Im Blog verfolge ich das seit einiger Zeit, siehe die Beiträge zu „Kompetenzorientierung„.

In der englischen Debatte hält man sich an altbekannten Geländern fest: Die Wissensverfechter stünden politisch rechts. Dagegen wird ins Feld geführt, dass gerade die Arbeiterbewegung erkannt hätte, dass Wissen Macht sei.

Die Erziehungswissenschaft kann nichts Wesentliches dazu beisteuern, ein Professor betont, dass man beides brauche, das Wissen und die Kompetenz es anzuwenden. Er erklärt das mit dem Satz des Pythagoras.

Historiker wiederum bemängeln, dass (auch) die neuen Stoffpläne britannienzentriert seien und wichtige weltgeschichtliche Entwicklungen wegfielen. Anglisten bemängeln, dass Studenten bisher zwar in Rechtschreibung ganz passabel seien, die Literaturkenntnis sich aber auf einen oder zwei zeitgenössische Autoren beschränke. Sie machen sich Hoffnung auf Besserung.

Die gemeinnützige Stiftung Pimlico Academy eröffnet im Herbst, nach mehrjähriger Vorbereitung eine Grundschule, deren Curriculum auf Wissenserwerb aufbaut.

Was mir schon vorab gefällt: Auf der Pimlico-Startseite wird erwähnt, dass es auch eine Bibliothek geben wird. (Bei mir um die Ecke hat die Stadt Potsdam einen beeindruckenden Grundschulcampus gebaut, mit großer Sporthalle, Mensa, Spielgeräten im Hof und Lehrerparkplatz. Der Bibliotheksraum war im Entwurf zunächst vergessen worden und wurde nachträglich eingefügt. Die jetzt ehrenamtlich darin tätig werden wollenden Eltern würden sich über mehr Willkommenskultur freuen.)

Ich danke Herrn Rau für die meisten dieser Links:

Ofsted: Wenn es gute Schulbibliotheken gibt, steckt fast immer die Schulleitung dahinter

Ofsted, die britische Schulinspektion, evaluiert auch Schulbibliotheken. Eine kleine Auswertung aus 32 Schulbesuchen in den Jahren 2004/05 liegt als Bericht vor.

Als wesentliche Ursache dafür, dass eine Schulbibliothek gut ist, wird die Unterstützung durch die Schulleitung erkannt. Sie sorgt dafür, dass die Schulbibliothek sich entwickeln kann.

via Designing Libraries
Siehe auch hier im Blog!

Neue Schulbibliotheken in britischen Berufsschulen

Das britische Wirtschaftsministerium fördert über seine Skills Funding Agency den Neubau zweier Schulbibliotheken (Learning Resources Centers) in Berufsschulen (Colleges) mit Zuschüssen in Höhe von knapp 20 Mio €.

Das neue Förderprogramm sieht Mittel von 100 Mio € vor, die überwiegend zur Modernisierung maroder Schulgebäude verwendet werden. Die Träger der Colleges tragen selbst mit dem Dreifachen der Fördersumme bei. (Man hat ausgerechnet, dass veraltete Schulgebäude ein Drittel mehr Unterhaltskosten verursachen.)

Schwerpunkt dieser Schulbibliotheken soll die Förderung selbstständigen Lernens („independent learning skills“) sein

via Designing Libraries

Als Weihnachtsgruß: Die Bibliothek der Amesbury-Grundschule

Die Amesbury School in Surrey, Groß-Britannien, ist eine „prep school“. Man könnte sie mit gymnasialen Grundschulen des deutschen Kaiserreichs vergleichen. (Die wurden nach 1919 abgeschafft.) Die Schülerinnen und Schüler (und Kindergartenkinder) dieser privaten Grundschulen in USA und UK gehen in der Regel in private Sekundarstufenschulen weiter.

Dieser Youtube-Clip zeigt die Bibliothek der Schule:

Mit diesen Bildern kann man in die Weihnachtsferien gehen und ins neue Jahr rutschen.

Basedow1764 wünscht allen, die den Blog besuchen, schöne Weihnachtsfeiertage, erholsame Zeit zwischen den Jahren und einen guten, gesunden Start ins neue Jahr.

Ich freue mich über die seit fünf Jahren kontinuierlich wachsenden Zugriffe und die steigende Zahl der Abonnent/-innen.
Damit fühle ich aber auch die Anforderung an die Texte wachsen. Ich nehme wahr, dass ich über die Jahre ironischer, zynischer, enttäuschter geworden bin, anderseits bemühe ich mich sehr, nicht verkürzt, einseitig und polemisch zu schreiben.
Der Blog gilt immerhin auch als Teil der Öffentlichkeitsarbeit der LAG Schulbibliotheken in Hessen, auch wenn ich der Vorstand dem Ehrenvorsitzenden alle Freiheiten lässt. Auch ist der Blog mein Archiv.
Ich freue mich auf das Jahr 2013: In Berlin ist manches Erfreuliche in Gang gekommen. In Hessen werden Landtagswahlen sein, die vielleicht frischen Wind bringen. Das Ministerium führt die Servicestelle EDV und das Projektbüro Schulbibliotheken nach den Pensionierungen weiter; das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich.