Schlagwort-Archive: Zusammenarbeit Bibliothek und Schule

30 Jahre ohne Fortschritte

Ich komme gerade vom 6. Berlin-Brandenburger Schulbibliothekstag in Eberswalde zurück. (Volles Lob an die Organisatoren! Zum Bericht der Märkischen Oderzeitung) Eigentlich wollte ich nach diesem Termin mein schulbibliothekarisches Engagement beenden. Aber loslassen ist gar nicht so einfach. Das liegt nicht daran, dass ich mich dann langweilen müsste.

In den Gesprächen in Eberswalde habe ich wieder einmal gemerkt, dass wir in den letzten 30 Jahren keinen Schritt weiter gekommen sind; wenn man von den Entschließungen, Resolutionen und Denkschriften der Organisationen der Bibliothekare absieht. Es ist wenig tröstlich, wenn man in der zuletzt erschienenen Frankfurter Erklärung des dbv Sätze liest, die wir so oder ähnlich schon vor 20 Jahren geschrieben hatten: Schulbibliothek als Unterrichtsort, als Klassenraum, als Lernzentrum, Schulbibliothek als schulische Einrichtung. Sicherlich ist gut, dass sich die Bibliotheksverbände bewegt haben. Aber das reicht nicht.

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Sind Schulbibliothekare IT-Spezialisten?

Schulbibliothekare in den USA verstehen sich als Tech Leader, als die Technologie-Experten der Schule. Die Fachzeitschrift School Library Journal (SLJ) berichtet das unter Berufung auf ihre School Library Journal’s Technology Survey (Kann dort angefordert werden.)

An der Befragung nahmen 761 Schulbibliothekare teil, von denen zwei Drittel einen Masterabschluss hatten. Neben der IT-Ausstattung und -Praxis der Schulen wurde auch nach der Rolle der Schulbibliothekare in diesem Zusammenhang gefragt. Dabei kam heraus, wie stark Schulbibliothekare  – school library media specialists – in die schulische Beschaffung und Anwendung von Geräten, Apps, Datenbanken und Software einbezogen sind, dass sie Schüler und Lehrer in diesem Bereich fortbilden, dass sie von diesen als IT-Fachleute wahrgenommen werden. Über 70% sagen von sich, dass sie als Tech Leader in der Schule wahrgenommen werden. (Befragt wurden nur Schulbibliothekare, nicht Schulleiter, Lehrer oder Schüler)

Weiterer Schwerpunkt der Erhebung war die IT-Ausstattung der Schulen und Schulbibliotheken. U. a. gibt es in fast 70% der Schulen eBooks (gemeint ist KJL, kein elektronisches Schulbuch), die vor allem auf Computern gelesen werden. Nahezu alle Schulen haben W-LAN, die Hälfte der Privatschulen hat eine 1:1-Computerausstattung, die öffentlichen Schulen erst zu einem Viertel.

Die wichtigsten Ergebnisse präsentiert SJL auf einem Poster:

LibraryLeader-Infographic

Siehe auch: Der digitale Schulbibliothekar

Wenn ich lobend über die Schulbibliotheken in den USA schreibe, wird manchmal eingewandt, man  könne das nicht auf Deutschland übertragen, man müsse unsere anderen Rahmenbedingungen berücksichtigen, man müsse andere Konzepte erarbeiten usw.

Ich kann das nicht nachvollziehen. Schule ist erst einmal Schule und Schulbibliothek ist Schulbibliothek. So weit sind Schule, Unterricht und Schüler nicht auseinander auf den beiden Seiten des Atlantiks. Die Schulbibliothek erfüllt (bzw. solte erfüllen) hüben wie drüben vielfältige Aufgaben: Lesezentrum, Informationszentrum, Medienzentrum, Kommunikationszentrum.

Wenn man die deutschen Rahmenbedingungen für unveränderbar erklärt, geht nichts mehr. Denn sind es gerade die Rahmenbedingungen, die die Entstehung eines Schulbibliothekswesens verhindern:

  • Schulbibliothek gilt als Teil des öffentlichen Bibliothekswesens sein, nicht als Teil der Schule
  • Nicht Schule, Schulverwaltung und Bildungspolitik, sondern die kommunale Stadtbibliothek ist zuständig
  • Dreh- und Angelpunkt ist die Zusammenarbeit von öffentlicher Bibliothek und Schule (noch nicht einmal Schulbibliothek!)
  • Bildungsverwaltungen werden entlastet durch Verträge mit dem Bibliotheksverband und durch Bibliotheksgesetze, in denen Medien- und Informationskompetenzvermittlung zur Aufgabe öffentlicher Bibliotheken erklärt wird.

In der Diskussion um die Digitalisierung der Schule spielt die Schulbibliothek in Deutschland, anders als in den USA, keine Rolle. Der Zug ist abgefahren.

Wenn die deutschen Rahmenbedingungen für unveränderbar erklärt werden und die Kritik daran kritisiert wird, dann bleibt das so.

Irgendwo wird eine kombinierte Stadtteil- und Schulbibliothek eröffnet werden, woanders eine geschlossen, in einer Schulbibliothek überreicht der Lions Club eine Spende, in der anderen streichen Eltern die Wände, Bibliothekare entwerfen Schulbibliotheksrichtlinien, Spiralcurricula und Informationskompetenzvermittlungsraster und schreiben darüber Examensarbeiten, Tweets und Blogpostings. Und wenn sie nicht gestorben sind…

 

 

Bibliotheksgesetzentwurf nun auch in Schleswig-Holstein

Dass Bibliotheksgesetze nicht der Königsweg zum Schulbibliothekswesen sind, konnte man schon früher feststellen. Die ursprüngliche Absicht der Bibliothekarsverbände, durch Bibliotheksgesetze öffentliche Bibliotheken als kommunale Pflichtaufgabe vorzuschreiben, ist in keinem deutschen Bibliotheksgesetz verwirklicht worden. Somit sind diese Gesetze zahnlose Tiger, die aber immerhin den öffentlichen Bibliothekaren die Wahrnehmung einer wichtigen kultur- und bildungspolitischen Tätigkeit attestieren.

Insofern ist es müßig, jetzt den Entwurf für ein entsprechendes Gesetz in Schleswig-Holstein unter die Lupe zu nehmen. Den Bibliotheken wird in solchen Gesetzen zugesichert, dass sie eine wichtige kultur- und bildungspolitische Aufgabe erfüllen. Das kostet nichts, verpflichtet das Land zu nichts, weil Träger öffentlicher Bibliotheken i. d. R. nicht die Bundesländer sind, sondern die Kommunen. Ein Landesgesetzgeber wird sich hüten, den Kommunen vorzuschreiben, Schulbibliotheken einzurichten. Ja, er wird sich sogar hüten, die Einrichtung kombinierter Stadt- und Schulbibliotheken vorzuschreiben. stattdessen fordert er die Zusammenarbeit der Bildungseinrichtungen Bibliothek und Schule. Alles andere würde ihn Geld kosten. Da bleibt es den zuständigen Trägern überlassen, wie sie die Zusammenarbeit gestalten.

Natürlich gibt es die Notwendigkeit kleinerer bibliotheksfachlicher Regelungen oder Novellierungen, sei es bei einer Landesbibliothek, im Archivrecht oder bei der Pflichtexemplaraufbewahrung.

Für Bibliothekare und vor allem ihre Verbände bedeutet es eine Aufwertung ihrer Tätigkeit, zumal jetzt auch Medien- und Informationskompetenzvermittlung, in Hessen auch Leseförderung als Aufgaben öffentlicher Bibliotheken gesetzlich festgeschrieben sind. Vielleicht kann man sogar in ein paar Jahren bei einer Novellierung festlegen, dass für die Erfüllung dieser Aufgaben (höhere) Landeszuschüsse notwendig wären.

Bei den Schulbibliotheken findet in den Bibliotheksgesetzen ein Eiertanz statt: Weiterlesen

Die Mühen der Ebene

Jenseits der hochfliegenden Thesen, der anspruchsvollen Standards und der vollmundigen Presseerklärungen gibt es einen schulbibliothekarischen Alltag, der all dem Hohn spricht.

Ein typisches Beispiel ist die Situation der Bibliothek einer Schule im Solinger Stadtteil Wald: Der Schulverein ist Träger der Einrichtung. Die Stadt schloss vor 13 Jahren die Stadtteilbücherei und übertrug ihre Aufgabe an die Schulbibliothek. Diese lebt von Spenden und einem Zuschuss aus dem städtischen Fonds für Vereinsförderung(!). Nun entstehen immer größere Finanzierungslücken…

Das Solinger Tagblatt berichtet.

Warum funktioniert es z. B. in Basel und nicht in Solingen? Vielleicht sollte darüber einmal eine Dissertation geschrieben werden und nicht nur darüber, wie viele Schulbibliotheken es in Deutschland gibt oder nicht gibt, oder welche bibliotheksfachlichen Standards gelten oder nicht gelten.

Zusammenarbeit Schulbibliothek und Bibliothek in Basel

Aufgrund einer Leistungsvereinbarung zwischen der Schulverwaltung der Stadt Basel und der Stadtbibliothek werden zwei Schulbibliotheken fachlich von der Stadtbibliothek betreut und während der gesamten täglichen Schulzeit geöffnet sein.

(In der Pressemitteilung steht, dass das „kostenneutral“ erfolge. Was immer das auch heißen mag.)

Denken die Bibliothekare um?

Die ekz sponserte in Berlin ein Seminar zum Thema Schulbibliotheken. Vor Jahren hatte sie dies der LAG Schulbibliotheken in Hessen e. V. noch abgelehnt. Andreas Mittrowann, Bibliothekarischer Direktor der ekz GmbH, setzt nunmehr auf Schulbibliotheken. Vor Jahren hatte er noch ein millionenschweres, fünfjähriges Projekt der Bertelsmann-Stiftung zu Gunsten der Kooperation von Stadtbibliotheken mit Schulen geleitet.

Nun gut, verlorene Jahrzehnte, jetzt aber mit voller Kraft voraus.

„Die neue Devise lautet: Nur eine gut ausgestattete Schulbibliothek vor Ort, so die Schlussfolgerung von Frau Lücke, könne einen wirksamen Beitrag zur Medienbildung der Lernenden leisten.“ (Webseite der AGSBB)

 

dbv schreibt Kommission „Bibliothek und Schule“ neu aus

Dem dbv ist hoch anzurechnen, dass er die Schulbibliothekskommission des abgewickelten Deutschen Bibliotheksinstituts (dbi) in – allerdings veränderter – Form weitergeführt hat. Das Wort Schulbibliothek kommt im Titel leider nicht mehr vor: „dbv-Kommission Bibliothek und Schule“.

(Die LAG Hessen hatte sich damals, ich glaube, das war  vor ca. 15 Jahren, an die Kultusministerkonferenz gewandt mit der Bitte, die dbi-Kommission weiterzuführen. Das scheiterte [erst] auf der Präsidentenebene.)

Bei den in den letzten Jahren in das Gremium eingezogenen Mitgliedern ist das Bemühen erkennbar, frischen Wind in die Schulbibliotheksthematik zu bringen. Dazu gehört nicht zuletzt die Aufforderung an andere Verbände (AGSBB, LAG Hessen, LAG NRW), Mitglieder zur Bewerbung für die dbv-Kommission zu motivieren. Weiterlesen

Offenbach engagiert sich wieder bei Schulbibliotheken

Die Stadtbibliothek von Offenbach am Main startet ein Pilotprojekt. Sie verhilft einer Grundschule zu einer Schulbibliothek. Weitere Schulbibliotheken sind geplant. Die Frankfurter Rundschau berichtet über die neue Kooperation.

Wie schön.

Die neue Grundschulbibliothek soll an zwei Wochentagen von ehrenamtlichen Mitarbeitern geöffnet werden.

Eine nationale Schulbibliothekskonferenz?

Seit fast 30 Jahren organisieren wir in Hessen Schulbibliothekstage (Genau genommen organisiert sie seit Jahren Hans Günther Brée.) Ich stehe nicht allein mit dem Urteil, dass sie eine hervorragende Einrichtung geworden sind, die weit über Hessen hinaus Beachtung findet und – worüber wir uns freuen – Nachahmung in anderen Bundesländern. Seit vielen Jahren fragen wir uns und werden auch gefragt, ob es nicht eine Bundes-Schulbibliothekstagung geben sollte. Wir Hessen fühlen uns dazu nicht berufen, auch wenn ich zugebe, dass es uns manchmal „gejuckt“ hat, auch hier zu zeigen, wie es geht. Wir haben uns dafür entschieden, nicht aktiv zu werden. Das hat mehrere Gründe: Weiterlesen

Woran man erkennen kann, wie es um das hessische Schulbibliothekswesen bestellt ist

Die folgenden Erfahrungen passen in das Bild, das das hessische Schulbibliothekswesen bietet.

Vor 18 Jahren folgte ein hessischer Kultusminister noch der Einladung der LAG Schulbibliotheken zum Besuch des Hessischen Schulbibliothekstages. Vor zehn Jahren gewann der LAG-Vorstand eine hessische Kultusministerin noch für das Grußwort zu einer Broschüre, zudem beantwortete sie die Anfrage zu einem Gespräch positiv. Vor fünf Jahren waren wir froh, dass eine nachfolgende, in ihrem Amt überforderte Ministerin einen Referenten schickte. Der erwähnte in seinem Grußwort die Kooperation seines Hauses mit dem dbv lobend, worüber zahlreiche Zuhörer/-innen, die tagein, tagaus dafür sorgen, dass es in ihrer Schule ein Informations- und Lesezentrum gibt, hör- und sichtbar irritiert waren. Die nachfolgende Ministerin ließ uns nach längerem Warten und wiederholter Anfrage schließlich einen Gesprächstermin freitags um 16.30 Uhr anbieten. Ein – was nicht unüblich ist – vorformuliertes Grußwort für eine Broschüre zu unterschreiben, gelang ihr innerhalb von sechs Wochen nicht.

Der neueste Kultusminister teilte uns mit, er habe schon so viele Termine und verwies uns an seinen Staatssekretär. Kurz darauf folgt er der Bitte eines Parteifreundes, Landrat und dbv-Landesvorsitzenden, zu einem Gespräch.

Was sagt uns das?

Das Land will sich nicht auch noch um Schulbibliotheken kümmern. Die Schulträger dürfen machen, was sie wollen, Schulbibliotheken schaffen oder nicht. Die öffentlichen Büchereien, denen einige Angebote abhanden kommen (Videoausleihe, Musik-DVD-Ausleihe) oder gar nicht erst zukommen werden (z. B. eine zukunftsfähige E-Book-Ausleihe). erweitern dafür ihre Bildungspartnerschaft mit Schulen (Literaturversorgung, Medien- und Informationskompetenzenvermittlung). Sie machen sich Hoffnung auf Geld aus dem Bildungsetat. Das Land kommt bisher billig davon, es leiht zwanzig Lehrerstunden an die Fachstelle für öBen in der Bibliothek der FH Rhein-Main aus und spendiert den öffentlichen Bibliotheken jedes Jahr ein paar 100.000 € für Kooperationsprojekte mit Schulen. Bürgermeister bewahren ihre Stadtbücherei vor der Schließung, in dem sie sie als Kombibibliothek in eine Schule verlagern. Da sparen sie Bau- und Bauunterhaltungskosten. Sogar das „Schulbibliothekswesen“ profitiert: Seit 25 Jahren steigt die Zahl der Kombi- oder öffentlichen Schulbibliotheken jährlich ungefähr um eine. Die Zusammenarbeit von öffentlichen Bibliotheken und Schulen ist für alle Beteiligten günstiger als die einseitige Bevorzugung von Schulbibliotheken.

Siehe auch hier!