Schulbibliothekare in den USA verstehen sich als Tech Leader, als die Technologie-Experten der Schule. Die Fachzeitschrift School Library Journal (SLJ) berichtet das unter Berufung auf ihre School Library Journal’s Technology Survey (Kann dort angefordert werden.)
An der Befragung nahmen 761 Schulbibliothekare teil, von denen zwei Drittel einen Masterabschluss hatten. Neben der IT-Ausstattung und -Praxis der Schulen wurde auch nach der Rolle der Schulbibliothekare in diesem Zusammenhang gefragt. Dabei kam heraus, wie stark Schulbibliothekare – school library media specialists – in die schulische Beschaffung und Anwendung von Geräten, Apps, Datenbanken und Software einbezogen sind, dass sie Schüler und Lehrer in diesem Bereich fortbilden, dass sie von diesen als IT-Fachleute wahrgenommen werden. Über 70% sagen von sich, dass sie als Tech Leader in der Schule wahrgenommen werden. (Befragt wurden nur Schulbibliothekare, nicht Schulleiter, Lehrer oder Schüler)
Weiterer Schwerpunkt der Erhebung war die IT-Ausstattung der Schulen und Schulbibliotheken. U. a. gibt es in fast 70% der Schulen eBooks (gemeint ist KJL, kein elektronisches Schulbuch), die vor allem auf Computern gelesen werden. Nahezu alle Schulen haben W-LAN, die Hälfte der Privatschulen hat eine 1:1-Computerausstattung, die öffentlichen Schulen erst zu einem Viertel.
Die wichtigsten Ergebnisse präsentiert SJL auf einem Poster:

Siehe auch: Der digitale Schulbibliothekar
Wenn ich lobend über die Schulbibliotheken in den USA schreibe, wird manchmal eingewandt, man könne das nicht auf Deutschland übertragen, man müsse unsere anderen Rahmenbedingungen berücksichtigen, man müsse andere Konzepte erarbeiten usw.
Ich kann das nicht nachvollziehen. Schule ist erst einmal Schule und Schulbibliothek ist Schulbibliothek. So weit sind Schule, Unterricht und Schüler nicht auseinander auf den beiden Seiten des Atlantiks. Die Schulbibliothek erfüllt (bzw. solte erfüllen) hüben wie drüben vielfältige Aufgaben: Lesezentrum, Informationszentrum, Medienzentrum, Kommunikationszentrum.
Wenn man die deutschen Rahmenbedingungen für unveränderbar erklärt, geht nichts mehr. Denn sind es gerade die Rahmenbedingungen, die die Entstehung eines Schulbibliothekswesens verhindern:
- Schulbibliothek gilt als Teil des öffentlichen Bibliothekswesens sein, nicht als Teil der Schule
- Nicht Schule, Schulverwaltung und Bildungspolitik, sondern die kommunale Stadtbibliothek ist zuständig
- Dreh- und Angelpunkt ist die Zusammenarbeit von öffentlicher Bibliothek und Schule (noch nicht einmal Schulbibliothek!)
- Bildungsverwaltungen werden entlastet durch Verträge mit dem Bibliotheksverband und durch Bibliotheksgesetze, in denen Medien- und Informationskompetenzvermittlung zur Aufgabe öffentlicher Bibliotheken erklärt wird.
In der Diskussion um die Digitalisierung der Schule spielt die Schulbibliothek in Deutschland, anders als in den USA, keine Rolle. Der Zug ist abgefahren.
Wenn die deutschen Rahmenbedingungen für unveränderbar erklärt werden und die Kritik daran kritisiert wird, dann bleibt das so.
Irgendwo wird eine kombinierte Stadtteil- und Schulbibliothek eröffnet werden, woanders eine geschlossen, in einer Schulbibliothek überreicht der Lions Club eine Spende, in der anderen streichen Eltern die Wände, Bibliothekare entwerfen Schulbibliotheksrichtlinien, Spiralcurricula und Informationskompetenzvermittlungsraster und schreiben darüber Examensarbeiten, Tweets und Blogpostings. Und wenn sie nicht gestorben sind…