Seit vielen Jahren erhalte ich regelmäßig durch Push-Dienste Links zum Thema Schulbibliotheken. Es ist erstaunlich, dass nahezu jede Woche irgendwo in Deutschland eine Schulbibliothek eröffnet wird oder nach Renovierung in neuem Glanz erstrahlt.
Z. B. heute in der Aachener Zeitung:
Paul-Gerhard-Schule freut sich über ihre neue Bibliothek
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Düren. Da machten die Grundschüler große Augen, als sie durch die Türe traten: Was vor wenigen Monaten noch eine Rumpelkammer war, erstrahlt nun als tolle Schulbibliothek. Über drei Monate hatte sich das Kollegium der Paul-Gerhard-Schule im Dürener Osten, angeführt von Projektleiterin Mareike Buch, mit dem Ziel ins Zeug gelegt, die Schule um eine Bibliothek zu bereichern. Am Freitag wurde diese nun den Schülern vorgestellt. |
Nahezu ausschließlich sind es einzelne Lehrer oder Kollegien, Schüler, Eltern oder Schulfördervereine, gelegentlich auch Schulleitungen, oft die ganze Schulgemeinde, die Hand anlegen, Spenden sammeln, den Betrieb organisieren. Es sind Möbelhäuser, Buchhandlungen, ortsansässige Firmen, Banken, Wirtschaftsjunior*innen und der Lions Club, die Geld, Bücher oder einen Vorlese-Sessel spendieren. Manchmal gibt es Lottomittel, über die ein Landrat oder eine Landrätin oder ein Minister oder eine Ministerin verfügt. Stadtverwaltungen und Landratsämter stehen bisweilen nicht zurück und unterstützen Schulbibliotheksaktivist*innen mit regulären Haushaltsmitteln für den Ankauf von Laptops, Regalen oder einem Teppichboden. Selig sind die Initiatoren, die einen dauerhaften Sponsor finden.
Der Bürgermeister oder ein Staatssekretär reden dann zur Eröffnung oder lesen vor und danken den Beteiligten für ihr Engagement.
Die lokale Presse berichtet von dem Ereignis. Ein Foto, auf dem Schüler vor einem Regal stehen und so tun, als ob sie läsen, darf nicht fehlen.
So weit so gut.
Es ist durchaus schön, erfolgreich zu sein. Es befriedigt sehr zu sehen, was man erreichen kann, wenn man initiativ wird und Mitstreiter/-innen findet. (Ich weiß, wovon ich rede.)
Die Journalisten notieren die Namen aller mitarbeitenden Eltern, schreiben über den „Bücherhort“, in dem man viele neue Bücher ausleihen kann, weil er zweimal in der Woche geöffnet ist.
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Was ich nicht verstehe, ist, dass ich noch NIE in all diesen Zeitungsberichten gelesen habe, dass es eigentlich nicht normal ist, dass man um Spenden betteln muss und Eltern die Schulbibliothek betreuen müssen. Noch NIE habe ich gelesen, dass das ein bildungspolitischer Skandal ist. (Während Journalisten sonst doch alles, wirklich alles, kritisch kommentieren.)
Es geht nicht darum, dass Eltern und Schüler in der Bibliothek mitarbeiten und dass zusätzlich zur regulären Finanzierung Sponsoren und Spender gewonnen werden.
Dieses Posting will ich schon seit langem schreiben. Jetzt, in dem Augenblick, da ich es tue, lese ich auf der Webseite der Berlin-Brandenburger AG (AGSBB), dass die FDP in Marzahn-Hellersdorf mit der Forderung einer Bibliothek für jede Schule im Bezirk in den Berliner Wahlkampf ziehen will.
Auch wenn das vorerst nur eine Forderung ist (Die von Basedow reicht ins Jahr 1764 zurück), so hat es schon eine neue Qualität, wenn die Politik endlich reagiert.
Nachtrag: Gerade habe ich dies geschrieben, da finde ich in der Regionalausgabe des Anzeigenblattes Berliner Woche einen Bericht über eine neue Schulbibliothek in Spandau, der so ziemlich alles enthält, was ich aufzähle: ein wenig Geld vom Bezirksstadtrat, Unterstützung der Bezirksbibliothek, Engagement der Eltern usw. Aber er enthält auch eine kritische Kapitelüberschrift: „Schulbibliotheken sind eher eine Rarität“. Die sachkundige Journalistin berichtet öfter über Schulbibliotheken.