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Oxfam-Statistiken

Die Fachleute von OXFAM haben gerechnet. Heraus kam ein Leckerbissen für Churchill-Fans. Der hatte einmal gesagt, er traue nur der Statistik, die er selbst gefälscht habe.

OXFAM will errechnet haben, dass die 62 Reichsten der Reichen so viel besitzen wie die Hälfte der Erdbevölkerung. Für die „Sofortisten“ der Medien ein gefundenes Fressen. Das steht sofort im Blatt, gar als Aufmacher auf der Titelseite, wie bei den PNN, dem Potsdamer Ableger des linken Tagesspiegels, dem selbst ernannten Leitmedium der Berliner Führungskräfte. Bloß keine Recherche, kein Nachprüfen, man weiß doch, der Kapitalismus ist an allem schuld.

Zwei Tage später lese ich auf S. 15 in der FAZ, wie die ominöse Zahl entstanden ist: (Hier ein ähnlicher Bericht in der Süddeutschen Zeitung)

Ausgangspunkt ist ein Kreditreport einer Schweizer Bank, mit dem belegt werden soll, dass es eine funktionierende Kreditwirtschaft gibt. Berechnet wurde das sogenannte Nettovermögen, also alle Darlehen und Kredite werden vom Vermögen abgezogen. Studenten, die sich ihr Studium mit einem Kredit finanzieren, oder Häuslebauer ihr Haus, geraten so in die OXFAM-Armutsstatistik, obwohl sie nicht am Hungertuch nagen. Landarbeiter in Eritrea stehen nach der Oxfam-Berechnungsformel besser dar als Hausbesitzer in USA, die eine Hypothek aufgenommen haben.

Einer der ärmsten Menschen ist nach dieser Armutsberechnungsart der betrügerische Börsenmakler Jerome Kerviel, der sechs Mrd. Dollar Schadensersatz an seine Bank leisten soll.

Kein Wunder, dass im Ranking der armen Länder nach Indien gleich die USA kommen. Wegen der verschuldeten Hausbesitzer und der vielen Studienkredite von Studenten. Erst danach folgen Bangladesch und Pakistan.

Auch für schulische Informationskompetenzvermittler/-innen ist die OXFAM-Pressemitteilung eine Herausforderung. Wer die üblichen Kriterien – Impressum vorhanden, ordentliche Rechtschreibung, regelmäßige Updates der Seite und ähnlich Formales – anwendet, kommt nicht weit. (Siehe dieses Posting!)

Es gibt ungute Vermögenskonzentrationen und irrwitzige Gehälter. Aber brächte es nachhaltig Verbesserungen, wenn man das Vermögen von Bill Gates oder Hasso Plattner an die Armen in den USA oder Bangladesch verteilte? (Dazu ist in diesem Posting alles gesagt.)

Nebenbei: Was ist mit der reichen Elite in linken Ländern wie Nicaragua, Venezuela, Bolivien oder Vietnam? (Dazu ist in diesem Posting etwas gesagt.)

Auch in der DDR betrug das Vermögen der Reichsten das Sechsfache des Vermögens der ärmsten Schicht (nach Vortrag Prof. Klaus Schroeder in Potsdam am 7.4.2008)

Zuletzt: In den vergangenen 20 Jahren wurde die Armut der ärmsten Bewohner der Erde halbiert. Aber wen interessieren gute Nachrichten?

Vielleicht wird man in Zukunft von OXFOAM- statt von OXFAM-Statistiken sprechen.

 

 

Pallywood: Informationskompetenz für Fortgeschrittene

Vor sechs Jahren schrieb ich schon einmal über Informationskompetenzvermittlung und Schulunterricht.

Bilder und Filme können lügen. Früher wurde das auch im Schulunterricht angesprochen: Die Darstellung absolutistischer Herrscher durch Auftragsmaler, die Propagandafilme der Nazis oder die retuschierten Fotos kommunistischer Politbüros, auf denen die gerade in Ungnade gefallenen Mitglieder fehlten. Bisweilen war noch ein Fuß oder ein Arm auf dem Foto übriggeblieben.

Heute gibt es die gefakten Wolken auf Wettersatellitenfotos der russischen Anti-Ukrainepropaganda, mit denen westliche Luftbilder von russischen Aktivitäten als unglaubwürdig entlarvt werden sollen. Und es gibt die PR-Maschine der palästinensischen Hamas. Deren inszenierte Aufnahmen finden ihren Weg in die Nachrichtensendungen westlicher TV-Anstalten, wie z. B. BBC oder France 2.

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Hamas lädt zum Fototermin ein. Fotos mit freundlicher Genehmigung von gatestoneinstitute.org

Es gibt m. E. kein anderes Thema, bei dem so einseitig – antiisraelisch, proarabisch – berichtet wird. Der UN-Menschenrechtsrat z. B. nennt seit Jahren nahezu ausschließlich die Verstöße Israels. 61mal in den neun Jahren des Bestehens wurde Israel verurteilt, der Iran fünfmal, China nullmal, Kuba nullmal, Russland nullmal. Falls es ein dokument gibt, das Hamas und Israel gleichermaßen beschuldigt, fällt die Hamas bei der Verurteilung durch den Rat heraus. In Regel werden die antiisraelischen Beschlüsse des Rats nur mit den Gegenstimmen der USA und Israels gefasst. D. h. Deutschland und Frankreich stimmen wie China, Russland, Iran, Katar, Weißrussland, Venezuela oder Bolivien gegen Israel.

Im Zeitalter der Informationskompetenzvermittlung ist es noch wichtiger geworden, die Inszenierungen der PR-Industrie zu durchschauen, denn die Schüler lernen zunehmend selbstständig. Sie sollen sich die Informationen selbst beschaffen. Lehrer unterrichten nicht mehr vorrangig, sondern „begleiten“ Schüler beim Lernen. Schüler sollen lernen, anhand von weitestgehend formalen Kriterien die Glaubwürdigkeit und Seriosität ihrer Informationsquellen zu überprüfen, also etwa so:

  • Gibt es ein ordentliches Impressum?
  • Sind der Verfasser oder die Institution vertrauenswürdig?
  • Ist die Information aktuell, genau, vollständig?
  • Sind Sprache und Rechtschreibung ordentlich?

Die Seriosität von Quellen festzustellen, ist schon für Erwachsene schwierig bis unmöglich, um wie viel mehr für Sechst- oder Neuntklässler. Weiterlesen

Die PISA-Industrie braucht Beschäftigung: ICILS-Studie zu Computerkompetenzen

Gefühlt lese ich täglich neue Umfragen über die Computerkompetenzen von Lehrern und Schülern. Was fehlt, ist ein überzeugender Nachweis, dass die Milliarden, die in die Computerisierung der Schulen gesteckt wurden, nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch bildungspolitisch Wachstum generiert haben, sprich höhere Schülerleistungen und einen besseren Bildungsstand bewirken.

Jetzt gibt es ICILS, eine weltweite Studie über Computer- und Informationsbeschaffungskompetenzen von Achtklässlern. Die Forscher dringen darauf, dass die IT-Ausstattung der Schulen verbessert wird, die Lehrer besser in IT-Nutzung im Unterricht geschult werden und diese dann auch praktizieren.

„Ich wünsche mir, dass die ICILS-Studie den Ländern Impulse gibt, damit es an den Schulen zu dringend notwendigen Veränderungen und Verbesserungen kommt“, sagt die Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Cornelia Quennet-Thielen, dazu. Ihr Haus hat die Studie in Deutschland finanziert. Das Ministerium, so sagt sie weiter, werde in den nächsten zehn Jahren 500 Mio € in die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ stecken. Sie erhofft sich von der Initiative einen Innovationsschub auch beim Einsatz digitaler Medien.

Im Blog Critical Science kann man lesen, dass die Ergebnisse so sind, wie wir sie aus bisher fast allen Leistungsvergleichstudien kennen, dass es aber auch Widersprüche zwischen dem wahren Leben von Achtklässlern und der Kunst der empirischen Sozialforschung gibt.

Informationskompetenz und Schule: Sehr komplex

Die Lehrerin und frühere Schulmediotheksleiterin Nathalie Mertes wurde mit der Fallstudie “Teachers‘ conceptions of student information literacy learning and teachers‘ practices of information literacy teaching and collaboration with the school library” gerade an der Berliner Humboldt-Universität von den Professoren Konrad Umlauf und Ross J. Todd promoviert.

Die Studie füllt eine bemerkenswerte Lücke in der Literatur zu Informationskompetenz und ihrer Vermittlung in der Schule. Denn sie untersucht am Beispiel einer US-amerikanischen Schule die Einstellungen der Lehrer und ihre Unterrichtspraxis sowie ihre Sicht der Zusammenarbeit mit den Schulbibliothekaren.

Auch wenn die deutsche Schulbibliothekslandschaft, sofern man die Zustände so nennen darf, völlig anders ist, verdient die Dissertation, auch in Deutschland gelesen zu werden. Denn Informationskompetenz und ihre Vermittlung sind auch hierzulande ein Thema: Mit Richtlinien, Empfehlungen und Lehrplänen zieht sie in den Schulen ein. Öffentliche Bibliotheken sehen sich als Förderer von Informationskompetenz der Schüler. Wenn man das diskutiert, kann eine Kenntnis der Schulrealität nicht schaden. Die Arbeit von Nathalie Mertes trägt hierzu erheblich bei. Meine Anmerkungen zur Studie: 

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es den Spruch „Man muss nicht alles wissen. Man muss nur wissen, wo es steht.“ Der Wissensspeicher, der sich außerhalb des menschlichen Gedächtnisses befand, war damals noch vergleichsweise überschaubar: gedruckte Bücher, das häusliche Bücherregal, die öffentliche Bibliothek. Dreißig Jahre später ist im Internet ein gigantischer, aber auch chaotischer Wissensspeicher nur noch einen Tastendruck entfernt. Die Suchmaschinen werden immer komfortabler. Der Gang ans Bücherregal, das Blättern im Buch oder das Aufsuchen der Stadtbibliothek scheinen überflüssig geworden zu sein. Stattdessen wird gegoogelt.

Vor allem für die Schule werden das Meer der digitalen Informationen und die Neigung, alles und jedes zu googeln, zum Problem. Statt die in vielfacher Auflage aktualisierten und behördlich zugelassenen Lehrbücher oder gedruckte Lexika zu Rate zu ziehen, werden Informationen heute in der „Wildnis“ Internet zusammengesucht. Das ist oft zeitraubend und vor allem unsicher, was die Güte der Information betrifft: Stammt die Islam-Definition von den Wahhabiten, erklärt eine Sozialistin den Neo-Liberalismus oder ein Freikirchler die Entstehung des Menschen? Lösen soll dieses Problems die Schulung der Informationskompetenz von Schülerinnen und Schüler.

Dieser in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgekommene Begriff für wissenschaftsorientierte Informationsbeschaffung zielte ursprünglich auf Verbesserung der Benutzerorientierung und Benutzerschulung in wissenschaftlichen Bibliotheken. Inzwischen sind auch Schulen und die Erwachsenenbildung Adressaten. Nicht nur die Informationsbeschaffung aus Büchern ist Thema, vor allem sind die Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien gemeint. Naheliegend ist, dass der Umgang mit Computern und Internet sowie der Datenschutz einbezogen werden. Medienkompetenz wird je nach Forscher als Ober-, Unter- oder Nachbarbegriff von Informationskompetenz verstanden. Eingeübt werden soll ein mehrstufiger Lernprozess:

  • Erkennen, dass man einen Informationsbedarf hat
  • Wissen, wo und wie man Informationen sucht und findet
  • Wie man sie auf ihre Seriosität überprüft
  • Wie man sie auswertet, erfasst, ordnet, auswählt und in die Aufgabe integriert
  • Wie man sie präsentiert und ins eigene Wissensrepertoire übernimmt.[1]

Zu diesem Zweck haben deutsche Bibliotheks- und Informationswissenschaftler nach angelsächsischem Vorbild Bildungsstandards, Kompetenzraster, Curricula und Lernzielkataloge vom Kindergarten bis zum Abitur erarbeitet. Vereinzelt hört man auch die Forderung nach einem Schulfach „Informationskompetenz“ oder spricht von einer neuen Fachdidaktik.[2] Flankiert wird der Ruf nach Vermittlung von Informationskompetenz durch Studien, die den Nachweis führen, dass Lehrer und Schüler nicht in der Lage seien, mit der enormen Masse von Treffermeldungen in Suchmaschinen kompetent umzugehen.[3]

Aus Lehrersicht irritiert, dass die einschlägigen Curricula und Bildungsstandards ohne Mitarbeit von Lehrern, Schuldidaktikern oder Erziehungswissenschaftlern erarbeitet wurden. Dass und wie Schule schon im vordigitalen Zeitalter Informationsrecherche beibrachte, interessiert anscheinend nicht. Der Umgang mit Quellen, Zeitungsanalyse, Textsorten, Referaten und Facharbeiten, der Gebrauch von Nachschlagewerken sind bis heute Themen des Unterrichts. Es sei dahin gestellt, ob diese immer und überall zufriedenstellend unterrichtet wurden. Aber ganz neu sind die Recherche von Informationen und ihre Präsentation nun auch wieder nicht. Wer US-amerikanische Fachliteratur zu Informationskompetenz liest, gewinnt gar den Eindruck, dass kritisches Denken erst mit dem Training der – digitalen – Informationskompetenz ins Blickfeld geraten wäre.[4]

Es ist nicht zu bestreiten, dass die Vermittlung von Informationskompetenz sinnvoll ist. Irritierend an der gegenwärtigen Diskussion ist aber zweierlei:

  • Der aus dem bibliothekarischen Raum stammende Begriff hat auch eine berufspolitische Bedeutung. Angesichts der Abwanderung von gedrucktem Wissen ins Internet und in Datenbanken, nicht zuletzt angesichts der elektronischen Bücher und der jederzeitigen Erreichbarkeit dieser Daten auf nicht ortsgebundenen, digitalen Endgeräten, stellt sich die Frage nach der Zukunft dieses Berufsstandes. Eine Antwort ist: Navigator auf dem Meer der Informationen. Er hilft dem Kunden, die richtigen Informationen zu finden.[5]
  • Das Thema wird an Lehrer und Schule herangetragen, ohne dass eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen von Unterricht und Lehrertätigkeit stattgefunden hat. An der Ausarbeitung der einschlägigen Curricula und Standards sind, nach meiner Kenntnis – wie gesagt -, keine Pädagogen oder Erziehungswissenschaftler beteiligt gewesen.

Die Vermittlung der Kompetenzen wird als alleinige Aufgabe der Bibliothekare gesehen, durchaus auch in Kooperation mit Lehrern.[6] Im Zusammenhang mit unserem Thema wären demnach einige Fragen zu klären:

  • Wie ist es um Informationskompetenzvermittlung in Schulen bestellt?
  • Welche Informationskompetenzen sind für Lehrer wichtig?
  • Welche halten Lehrer für ihre Schüler für wichtig? Wie schätzen sie die Informationskompetenz ihrer Schüler ein?
  • Worauf achten Lehrer bei Rechercheaufgaben? Auf welche Kompetenzen legen sie wert? Wo und wie intervenieren sie im Rechercheprozess?
  • Wie sehen Lehrer die Schulbibliothek und den Schulbibliothekar?
  • Ist in der Schule der Zugang zur Information das A und O oder liegt der Schwerpunkt auf Wissenserwerb?
  • Wie wirken sich die Rahmenbedingungen von Schule und Unterricht – Zeit, Fachunterricht, Lehrpläne u. a. – aus?
  • Könnte das Modell der Zusammenarbeit von (Fach-)lehrern und informationskompetenten Schulbibliothekaren bei der Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts die Qualität von Unterricht und die Schülerleistungen verbessern?[7]

Diese Fragen sind weitgehend ungeklärt. Die Lehrerrolle bei der Vermittlung von Informationskompetenzen ist bisher nicht untersucht worden. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit der Schulbibliothek, obwohl sie in angelsächsischen Ländern Eingang in die Schulpraxis gefunden hat. Wie sie abläuft, wie sie von den Beteiligten wahrgenommen wird, ob sie überhaupt funktioniert, wo die Probleme liegen, ist wissenschaftlich wenig erforscht.[8]

Die Forschungslücke wird nun sehr viel kleiner durch die Dissertation von Nathalie Mertes. Die fundierte Studie wurde in einer US-amerikanischen, privaten High School (Klassen 7-12) durchgeführt, weil in den USA Fachlehrer und Schulbibliothekar zusammenarbeiten, wenn auch nicht überall und nicht ohne Friktionen. In Deutschland gibt es keine hauptamtlichen, speziell ausgebildeten Schulbibliothekare. Dennoch ist diese Studie auch für die deutschen Verhältnisse hilfreich.

Bibliotheks- und Informationswissenschaftler/-innen, die Standards und Curricula für schulische Informationskompetenzvermittlung entwerfen und beanspruchen, Lehrern und Schülern diese Kompetenzen beizubringen, erhalten hier – erstmals -Informationen darüber,

  • was die Fachlehrer von der Schulbibliothek erwarten und wie sie sie nutzen
  • wie diese über Informationskompetenz denken
  • was für sie im Rechercheprozess besonders wichtig ist
  • welche Stärken und Schwächen sie bei der Informationskompetenz ihrer Schüler sehen
  • welche fächerspezifischen Unterschiede sich ergeben

Es wurden Schüler, Schulleitungsmitglieder, Lehrer und die Schulbibliothekare (zwei ausgebildete Schulbibliothekare und eine Assistentin) interviewt und mittels Fragebögen befragt.

 Hier sind einige Ergebnisse:

Lehrer, Schüler und Schulleitungsmitglieder sagen übereinstimmend, dass Informationskompetenzen von nahezu allen im Kollegium vermittelt würden. Fast alle Fachlehrer würden Rechercheaufgaben geben, nicht nur die Schulbibliothekare. Lehrer würden nicht nur selbst Informationen im darbietenden Unterricht geben, sondern auch Wert darauf legen, dass sie von den Schülern erarbeitet werden. Es komme nicht nur auf das fertige Referat an, sondern auf den Rechercheprozess.

Im Lehrplan sind in verschiedenen Jahrgangsstufen längere und kürzere Rechercheprojekte vorgesehen. Im Laufe der Schulzeit kann davon ausgegangen werden, dass die Schüler gelernt haben, Informationen in verschiedenen Medien zu finden und zu verwenden. Bei der Nutzung der Bibliothek als Ort für Projekte mit „Forschungsaufgaben“ gibt es allerdings beträchtliche Unterschiede. Das Internet ersetzt häufig den Bibliotheksbesuch, weil Schüler lieber dort recherchieren, als in die Bibliothek zu gehen. Zunehmend arbeiten sie auf ihren eigenen Endgeräten. Manche Lehrer benutzen die Schulbibliothek nur für ein längeres Projekt, aber nicht im normalen Unterricht, manche brauchen sie in ihrem Fach überhaupt nicht.

Generell scheinen die Lehrer kürzere Projekte zu bevorzugen. Auch bei diesen wird auf Informationskompetenzen geachtet, aber man geht darin eher ins Internet als in die Bibliothek. Gerne empfehlen Lehrkräfte Webseiten, die sie vorher „gescreent“ haben, auch weisen sie auf Bücher und Zeitschriften hin.

Nicht zu unterschätzen sind die systemischen Bedingungen:

Fach und Zeitaufwand sind wichtige Bedingungsfaktoren. Während die Schulbibliothekare lieber längerfristige Projekte machen möchten – zwei bis vier und mehr Wochen dauernd, acht bis zehn Druckseiten Umfang, 30 min Präsentationszeit – tendieren die Lehrer zu kürzeren Projekten. In den AP-Kursen (Advanced Placement, d. h. Unterricht auf Collegeniveau) wird wegen des Zeit- und Stoffdrucks auf Rechercheprozesse nach den informationsfachlichen Methoden etwa von Carol Kuhltau oder Mark Eisenberg lieber ganz verzichtet.[10] Die leistungsbereiten Schüler dieser Kurse würden sich per Hausaufgaben Informationen selbständig beschaffen. In diesen AP-Kursen geht es darum, auf die standardisierten Leistungstests vorzubereiten. Informationskompetenzen werden eher in regulären Klassen und Wahlpflichtkursen unterrichtet, Dort ließen sich Schüler dadurch motivieren, sich intensiver mit einer Sache auseinanderzusetzen. Das sei in den AP-Kursen nicht nötig. Wenn man zwischen den Zeilen liest, entsteht beim Lesen der Lehrer-Statements der Eindruck, dass Projektunterricht und lange Rechercheprozesse als „pädagogischer“ gelten, aber der geheime Lehrplan der intensiven Stoffvermittlung in den Köpfen steckt.

Am liebsten kooperieren die Geschichtslehrer, während Mathematiker, Naturwissenschaftler und Sprachler die Bibliothek weniger nutzen.

Die größten Probleme haben Schüler bei der Informationssuche nach Auffassung der Lehrer bei diesen Schritten:

  • Wie man eine wichtige Information von einer unwichtigen unterscheidet
  • Wie man die Güte von Internetquellen feststellen kann
  • Wie man die gefundenen Informationen exzerpiert und sammelt
  • Wie man zusammenfasst („extremely difficult“ sagt ein Lehrer)
  • Wie Informationen zu Wissen werden (Knowledge Building): verstehen, analysieren, anwenden usw.
  • Wie man präsentiert

Was Lehrer außerdem bekümmert: Wie man Plagiate verhindert. Und es sei schwierig, mit Schülern über den Rechercheprozess zu reflektieren. Für sie ist die Aufgabe abgeschlossen, wenn das Endprodukt, die Präsentation, abgeliefert wurde.

Während das Suchen und Finden von Informationen für die Schulbibliothekare sehr wichtig ist, rangiert es bei den Lehrern ziemlich weit hinten auf der Skala der Probleme auf der Recherche.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Fach- und Bibliothekar aus?

Drei Viertel der Lehrkräfte haben schon in der Bibliothek unterrichtet, aber nur die Hälfte davon hat dann mit dem Schulbibliothekar zusammengearbeitet. Am beliebtesten ist, wenn dieser die Klasse darüber informiert, wo man Informationen findet, wie man präsentiert und wie man die gefundenen Informationen anwendet (Knowledge Building). Dazu kommt er in den Unterricht des Fachlehrers. Gerne angenommen wird seine Mitarbeit bei der Unterrichtsvorbereitung.

Meist ist der Schulbibliothekar an der Notenfindung beteiligt, etwa bei der Beurteilung des richtigem Zitierens, der Struktur des Berichts, der Methodik, dem Arbeitseifer. Es gibt Lehrer, die ihre Klasse in die Bibliothek schicken und dem Schulbibliothekar das gesamte Projekt mitsamt der Benotung überlassen. Das wiederum hat zur Folge, dass dieser mit „seinem „Projekt“ beschäftigt ist und für Lehrer, die Unterstützung suchen, schlecht ansprechbar.

Bei der Zusammenarbeit gibt es ziemlich alle Varianten, von enger Kooperation bis zu gar keiner. Gelobt wird von den Lehrern:

  • Schulbibliothekare unterstützen einzelne, schwächere Schüler, suchen nach geeigneten Materialien, schlagen Bücher vor, besorgen Bücher per Fernleihe. Die Fachlehrer wenden sich überwiegend an die ganze Klasse. Sie beobachten, weisen auf offensichtliche Fehler hin, machen Vorschläge, nennen Quellen. Sie arbeiten aber selten längere Zeit mit einzelnen Schülern.
  • Die Schulbibliothekare seien sowohl Medienspezialisten als auch Lehrer.[11]

Es gibt aber auch eine Fülle von Problemen:

Das in den USA übliche Scheduling macht es erforderlich, Benutzungszeiten für die Bibliothek lange Zeit im Voraus zu reservieren, es gibt wenig Flexibilität. Man muss freie Stunden finden, wenn der eigene Fachunterricht stattfindet, man muss mit der Klasse in die Bibliothek umziehen. Dort sei es möglicherweise laut, man werde abgelenkt, es gebe zu wenige Gruppenräume für ungestörtes Arbeiten. Schulbibliothekare neigen dazu, so wird moniert, bei Projekten weniger strikt auf der Einhaltung vereinbarter Abgabetermine zu bestehen. Dagegen finden die Schulbibliothekare, dass die Zeitvorgaben der Fachlehrer zu knapp seien.

Schulbibliothekare und Fachlehrer hätten unterschiedliche Vorstellungen vom Unterricht, das erschwere die Kooperation. Es gäbe keine gemeinsamen Ziele, die Schulbibliothekare hätten ihre eigenen Methoden. Sie würden die Schüler enger führen als die Fachlehrer, hätten wenig fachspezifisches Wissen, so dass sie mitunter auch ungeeignete Materialien empfehlen würden.

Die Lehrer wollen die Verantwortung für den Unterricht nicht aus der Hand geben. Sie müssen für den Lernerfolg der Schüler und das gute Abschneiden in den Tests gerade stehen. Sie sehen die Vermittlung von Informationskompetenzen im engen Zusammenhang mit dem Lernstoff, was bei den Bibliothekaren nicht so ausgeprägt ist. Die sehen sie eher als fachunabhängige Methoden. Mancher Lehrer konzentriert sich daher auf den regulären Unterricht und überlässt die Klasse für das curricular vorgeschriebene größere Projekt dem Schulbibliothekar.

Zusammenfassung

Alle Lehrkräfte berücksichtigen Kompetenzen der Informationsrecherche in ihrem Unterricht. Sie sehen sie im engen Zusammenhang mit ihrem jeweiligen Fach. Ein fachunabhängiges Training von Fertigkeiten halten sie nicht für sinnvoll.

Die Nutzung der Schulbibliothek und die Zusammenarbeit mit dem Schulbibliothekar sind in den Fächern sehr unterschiedlich.

Die Ausstattung der Schulbibliothek wird als unbefriedigend empfunden: EDV-Ausstattung, Aktualität der Bücher, laute Umgebung, zu wenig Platz, unflexible Benutzungsregeln, Überlastung der Bibliothekare.

Eine gedeihliche Kooperation zwischen Fachlehrern und dem Bibliothekspersonal ist mühevoll. Die Ziele sind unterschiedlich. Einzelne Elemente der Informationsrecherche werden unterschiedlich gewichtet. Für Lehrer ist der kritische Umgang mit Informationen (Evaluation) wichtiger als das Finden von Information.

Geschätzt wird die „Türöffner“-Funktion der Schulbibliothekare: Sie unterstützen die Fachlehrer bei der Planung von Unterricht durch Bereitstellung geeigneter Ressourcen.

Schulbibliothekare haben eine anspruchsvolle Tätigkeit. Sie müssen mit einer Vielzahl von Fächern, der Bandbreite des Lehrstoffs dieser Fächer sowie einer Vielzahl unterschiedlicher Unterrichtsstile und Lehrererwartungen zurechtkommen. Die Palette der Formen der Zusammenarbeit mit den Fachlehrern ist groß. Sie müssen in der Lage sein, einzelne Schüler im Rechercheprozess zu unterstützen, Klassen zu unterrichten und Lehrer fortzubilden. Es wird erwartet, dass sie einen digitalen und physischen Schulbibliotheksbestand aufbauen, der für Lehrer und Schüler attraktiv ist.

Ihre Beiträge werden geschätzt, keineswegs aber wird ihnen die Vermittlung von Informationskompetenzen gänzlich überlassen. Als gleichberechtigte Partner des Lehrers werden sie eher nicht gesehen. Die Fachlehrer sind näher an den Schülern, haben häufiger mit ihnen zu tun, sind letztlich verantwortlich für deren Schulerfolg, sie fühlen sich verpflichtet, in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Menge Wissen zu vermitteln.

Dem Fazit von Nathalie Mertes ist zuzustimmen: Die Schulbibliothekare sind zwar Informationsspezialisten, aber sie sollten akzeptieren, dass auch die Fachlehrer Informationskompetenzen vermitteln. Sie selbst sind immer nur phasenweise in Unterricht involviert. Aber sie haben viele Möglichkeiten, gerade auch informelle, nicht nur bei den „großen“ Rechercheprojekten, Lehrer zu unterstützen und fortzubilden.

Beide, Fachlehrer und Bibliothekare, müssten daran arbeiten, zu einem gemeinsamen Verständnis von Informationskompetenz und ihrer Vermittlung zu kommen

Was lässt sich für das deutsche Schulbibliotheks- und Informationskompetenzwesen lernen?

Informationswissenschaftliche Referenzrahmen, Curricula und Forderungen nach einem eigenen Fach „Informationskompetenz“ sollten sich dem „Faktencheck“ dieser Studie unterziehen. Eine erfolgreiche Implementation von Informationskompetenzvermittlung muss sich dem komplexen Unterrichtalltag der Schule stellen, wie er hier aufgezeigt wird.[12]

Informationskompetenzen müssen vielfältig und variabel unterrichtet werden. Wobei zu fragen wäre, ob sie in jedem Jahrgang, vom Kindergarten bis zum Abitur, und bei jedem Thema, vermittelt und benotet werden müssen. Günstig ist ein Unterricht, in dem beide Methoden zu ihrem Recht kommen, darbietende Formen und forschendes Lernen.

Es muss diskutiert werden, ob eine zu große Gewichtung der Kompetenzorientierung auf Kosten von Wissenszuwachs geht. Auch das wird in der vorliegenden Studie von Lehrern angesprochen.[13]

Wenn Bibliothekare und Informationswissenschaftler mit ihrem Anliegen Informationskompetenz in die Schule hineinwirken wollen, müssen sie sich mit der Schulwirklichkeit auseinandersetzen. Die vorliegende Studie gibt dazu einen guten Einblick.

© 2014 Günter K. Schlamp
[1] In Anlehnung an “Informationskompetenz” in Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Informationskompetenz (aufgerufen am 3.3.2014)
[2] „Schulfach“: Sonja Gust von Loh, Wolfgang G. Stock, Informationskompetenz als
Schulfach?, URL für das Vorwort: http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/fileadmin/Redaktion/Institute/Informationswissenschaft/stock/Informationskompetenz_Vorwort_03.pdf. „Fachdidaktik“: Agnes Kürzl, Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Lehrern und Bibliothekaren bei der Vermittlung von Informationskompetenz an Schüler der Sekundarstufe II, URL: http://fiz1.fh-potsdam.de/volltext/diplome/06310.pdf (17.07.14)
[3] Celeste McNicholas, Ross J. Todd; New kids on the box: is it worth the effort and investment?, http://image.slidesharecdn.com/scaffolding-the-research-process-1204576206116547-2/95/slide-24-728.jpg?cb=1287840135
[4] Heather Davis, Critical literacy? Information, Eintrag im Blog “In the Library with the Leadpipe, http://www.inthelibrarywiththeleadpipe.org/2010/critical-literacy-information/ v .3.2.2010, (aufgerufen am 17.7.14)
[5] Dann müsste man aber kritisch fragen, ob es klug ist, Schülern Informationskompetenzen beizubringen, weil man sich tendenziell überflüssig macht.
[6] Z. B. steht im Paragraphen 5(2) des hessischen Bibliotheksgesetzes von 2010: „Öffentliche Bibliotheken dienen der schulischen, beruflichen und allgemeinen Bildung und Information, der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz sowie der Pflege von Sprache und Literatur.“ In diesem Zusammenhang nicht genannt sind Schulen und Schulbibliotheken(!), sondern nur öffentliche Bibliotheken (und deren Personal), die das vermitteln sollen, URL: http://www.rv.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/3l1u/page/bshesprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=202&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-BiblGHErahmen%3Ajuris-lr00&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1 (17.07.14)
Eine realistische Einschätzung des in öffentlichen Bibliotheken dafür vorhandenen Potenzials zeigt die Grenzen dieses Ansatzes: Generelle Knappheit des Personals, geringe Zahl der dafür in fachlicher wie didaktisch-methodischer Hinsicht Qualifizierten, fehlende schulnahe Versorgung mit öffentlichen Bibliotheken, fehlende Ausstattung der öffentlichen Bibliotheken für den Unterricht von Schulklassen.
[7] In “Die Schulbibliothek im Zentrum. Erfahrungen, Berichte, Visionen“, Berlin 2013, stelle ich das Konzept der Zusammenarbeit vor. Sie ist zwar in der angelsächsischen Schulbibliothekarsausbildung und in der Fachliteratur Thema, aber weit entfernt davon, im Schulalltag selbstverständlich zu sein. Vergleichbar ist das mit dem deutschen Referendariat, in dem Gruppenarbeit und offener Unterricht geübt werden, während im Schulalltag dann Frontalunterricht vorherrscht.
[8] R. J. Todd, The Dynamics of Classroom Teacher and Teacher Librarian Instructional Collaborations.
In: Scan, v.27, no.2, May 2008, p.19-28 (ISSN: 0726-4127), URL: http://trove.nla.gov.au/work/153058013?versionId=166808395 (14.07.14); in der vorliegenden Arbeit werden nicht nur die eigenen Befunde diskutiert, sie enthält auch eine hervorragende Übersicht über die angelsächsische Forschung zur Zusammenarbeit (p. 89ff).
[9] http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/mertes-nathalie-2014-03-04/METADATA/abstract.php?id=40539
[10] In Kapitel 2, p. 53ff, wird ein Überblick über die Modelle des Rechercheprozesses gegeben. Auch diese umfangreiche Literaturübersicht verdient, hervorgehoben zu werden.
[11] Die korrekte Berufsbezeichnung ist: School Library Media Specialist. Im Idealfall sind die Schulbibliothekare weitergebildete Lehrer. In der Praxis sind es aber überwiegend Seiteneinsteiger aus anderen Berufen. Dies dürfte erklären, dass viele US-Schulbibliothekare sich nicht als Kollegen der Lehrer behandelt fühlen.
[12] Ein in dieser Studie nicht angesprochenes, aber in Deutschland höchst bedeutsames Problem: Wann sollten Lehrer sich mit Schulbibliothekaren, so es sie gäbe, zusammensetzen? Transparente Arbeitszeitmodelle gibt es erst in Ansätzen (Hamburg), in denen Teamsitzungen, Konferenzen und Besprechungen auf die Lehrerarbeitszeit angerechnet werden.
[13] Vgl. auch die Kritik an kompetenzorientierten Prüfungsaufgaben. Der Mathematikdidaktiker Hans Peter Klein hat Neuntklässler Abituraufgaben des neuen kompetenzorientierten Typs mit durchschlagendem Erfolg lösen lassen. Nötig war kein Fachwissen, sondern die Kompetenz, im Text die richtige Information zu finden und wiederzugeben. Hans-Peter Klein, Nivellierung der Ansprüche, FAZ v. 17.10.2010, URL: http://www.faz.net/frankfurter-allgemeine-zeitung/politik/nivellierung-der-ansprueche-11057288.html (20.07.2014) Grundsätzliche Kritik am kompetenzorientiertem Lernen übt Andreas Gruschka, Verstehen lehren. Ein Plädoyer für guten Unterricht, Stuttgart 2011
  • Informationskompetenz im Blog: 1  2  3  4 und ca. ein Dutzend weitere Beiträge (Eingabe des Stichworts in der Suche!)

Informationskompetenz geht auch ohne Schulbibliothek

Auf der Suche nach Informationen über die Vermittlung von Informationskompetenz in der Schule lande ich bei dieser Magisterarbeit „Informationskompetenz im Schulalltag. Das Internet als Lern- und Rechercheinstrument“ von Victoria Schubert, Wien 2010.

(Gesucht habe ich übrigens nicht mit Google, sondern im Fachportal zu Medien- und Informationskompetenz, das über 100.000 Literaturnachweise enthält. Als informationskompetenter Zeitgenosse verfügt man halt über Alternativen zu Google. Das Portal liefert vier Treffer zum Stichwort Schulbibliothek. Zwei davon betreffen Hochschulbibliotheken. Die beiden hätte ich in der erweiterten Suche sicher auch noch ausschließen können.)

Aus dem Abstract:

„Im Unterricht wird das Internet vor allem in Nebenfächern eingesetzt, die Nutzung erfolgt eher unregelmäßig und ist vom jeweiligen Lehrerkörper abhängig. Informationskompetenz wird tendenziell nur im Ansatz vermittelt. Auffallend ist, dass die Schulbibliothek von den Schülern kaum genutzt wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die Informationskompetenz bei den Schüler/innen zu einem gewissen Maß vorhanden ist, sie aber besser geschult werden sollte. Vor allem auf Lehrerseite müsste eine einheitliche Vermittlung von Informationskompetenz stattfinden, die Rolle der Schulbibliothek als Vermittler von Suchstrategien sollte gestärkt werden.“

Interviewt wurden 11 Schüler/-innen und der Informatiklehrer.

Was man schon immer geahnt hat, aus Besichtigungen oder eigener Praxis weiß, hat man jetzt schriftlich: Weiterlesen

Ein Bibliothekar hinterfragt Informationskompetenz

Seit Jahren schreibe ich in diesem Blog gegen den Hype um Informationskompetenzvermittlung in der Schule an. Aber was aus Hessen kommt und dann auch noch von einem Schulpraktiker, wird ungern zur Kenntnis genommen.

Es sind vor allem Bibliotheksverbände, die für sich und ihre Bibliotheken reklamieren, den Schülern und Lehrern Informationskompetenzen beizubringen. Sie entwerfen detaillierte Curricula vom Kindergarten bis zum Abitur, lassen in Bibliotheksgesetze ihre Zuständigkeit für die Vermittlung von Informations- und gar auch Medienkompetenz hineinschreiben, fordern bisweilen ein neues Schulfach und vergessen auch nicht, nachzuweisen, dass die Zielgruppe bisher keine Ahnung hätte, wie man sich Informationen beschafft und kritisch beurteilt. Weiterlesen

Was ist mit Informationskompetenz gemeint?

Dazu ein Zitat von Bibliotheks- und Informationswissenschaftler Thomas Hapke aus „Hapke-Weblog„:

„Die Förderung von Informationskompetenz ist nicht nur als Frage von Schulungen sondern als ganzheitlichen (sic!) Ansatz zu sehen. Dieser impliziert, Kunden durch Marketing, gute Nutzer-Oberflächen, Bibliotheks-Webseiten sowie ansprechende Lernräume und AUCH durch Lernangebote dabei zu unterstützen, ihre Informationskompetenz zu verbessern. Zudem darf Informationskompetenz nicht nur als Bibliothekskompetenz verstanden werden, sondern als Teil von Schul-, Hochschul- und Erwachsenen-Bildung, wie es z.B. der Arbeitskreis Bildung und Informationskompetenz der DGI vormacht. Insgesamt kommt aus deutschen Bibliotheken für mich zur Zeit nicht viel Neues zum Thema Informationskompetenz.“

Neues Buch von Howard Rheingold

Rheingold, Guru der Internetfrühzeit und bis heute geschätzter Vordenker, legt sein neuestes Buch vor: Netsmart. How to Thrive Online.

Er denkt positiv: Wir sollen das Netz intelligent nutzen und uns nicht von Sprüchen wie „Wie Google macht doof“ und „Lesen am Bildschirm schadet dem Gehirn“ ins Bockshorn jagen lassen. Es komme darauf an, wie man seinen Facebook-Status update, Suchmaschinen nutze und Filme aufs Smartphone streame. Ein aufgeklärtes Bürgertum verstünde es, im digitalen Meer zu schwimmen und in tiefere Schichten zu tauchen. Man benötige „Internetschläue“ (network smarts; daher der Buchtitel). Auch in der Schule solle man schon lernen, die guten von den schlechten Internetseiten zu trennen. Er formuliert es drastischer: crap detection.

Ein Referat schreiben. Ohne Internet? Geht!

Eine Schülerin berichtet in einer Berliner Tageszeitung über ihren Lernprozess beim Recherchieren und Präsentieren ganz ohne Internet.

Dies war der Selbstversuch: Sie verzichtete bei der Anfertigung eines Referates auf das Internet. Die Versuchung war zwischendurch groß, aber sie blieb hart und sie kam ans Ziel. Sie machte sich handschriftliche Notizen, kopierte am Fotokopierer, ließ sich Fotos vergrößern und auf Folie ziehen. Sie malte ein Plakat und entwarf eine Gliederung für den Tafelanschrieb.

Am Vorabend ging sie mit einem guten Gefühl ins Bett. Der Vortrag wurde ein großer Erfolg. Was sie betont: Durch das handschriftliche Kopieren, das Anlegen von Karteikarten, das Malen des Plakats, die Herstellung der Folien hatte sie sich mit dem Stoff intensiv beschäftigt, sich ihn mit ihren Worten erklärt. Sie „stand im Stoff“ und hatte das Thema verstanden. Beim Vortrag fühlte sie sich sicher. Das wurde von den Zuhörern wahrgenommen. Es sei mucksmäuschenstill gewesen, berichtet sie.

Update November 2014: Das genaue Gegenteil predigt jetzt die empirische Bildungsforschung: Neue Milliarden für die Computerausstattung.

Unbedingt lesen!

(via netbib)
 

Lügner, Leugner und Verschwörer: Das Internet erschwert den Erwerb von Informationskompetenz

Es ist immer ein Bohren dicker Bretter, wenn in Sozialkunde, Geschichte oder Deutsch verlangt wird, das Wichtige in einem Zeitungsartikel, einem Dokument, einem Essay zu unterstreichen oder gar mit eigenen Worten wiederzugeben. Ein noch dickeres Brett ist, das Interesse hinter dem Zitat oder dem Text zu erkennen. Dass z. B. auf der Webseite der Islamischen Republik Iran eine Islamdefinition steht, die nicht als allgemeingültig betrachtet werden kann. (Nach den – formalen – Evaluationskriterien eines amerikanischen Handbuchs über Informationskompetenzvermittlung im Unterricht galt die Seite als nicht zu beanstanden.) Oder, wenn die Linkspartei die Achtung der Menschenrechte in Kuba für vorbildlich hält, dies nicht mit der Wirklichkeit verwechselt werden darf, sondern als Aussage von Linken erkannt wird.

Mancher Schüler fragt mit Recht, woran er denn erkenne, was wichtig und was unwichtig in dem Text sei? Im Verlauf mehrerer Schuljahre kann man Kategorien vermitteln, die ein wenig helfen. Ich will nicht behaupten, dass Schule und Lehrer durchweg erfolgreich bei der Vermittlung von Kompetenz im Umgang mit Quellen im Referate schreiben sind. Obwohl es seit Jahrzehnten in den Sprachbüchern Kapitel dazu gibt. Ein kompetenzorientierter Unterricht hilft anscheinend auch nicht weiter, wie erste Befunde zeigen.

Seit einigen Jahrzehnten begreifen sich Bibliothekare als Vermittler von Informationskompetenz. Hervorgegangen ist der Begriff aus der library instruction, der Einführung in die Bibliotheksbenutzung, und wurde auf die Informationssuche im Internet ausgeweitet. Er ist gekoppelt mit dem Slogan des „lebenslangen Lernens“ und hat auch eine Schnittstelle zur Bloomschen Taxonomie der Lernziele im kognitiven Bereich. Er beschäftigt Heerscharen von Wissenschaftlern. Sogar Informationskompetenzerwerbs- und -vermittlungsstrategien für den Kindergarten werden modelliert.

Jetzt ist er auch in Deutschland angekommen. Und steht so(gleich) in Bibliotheksgesetzen und in Vereinbarungen der Kultusminister mit dem Deutschen Bibliotheksverband.

Das Wichtigste sind m. E. die ersten Phasen der jeweiligen Modelle des Informationskompetenzerwerbs (IK): Das Erkennen des Informationsbedarfs, die Entwicklung einer Fragehaltung. Wer eine Fragehaltung verinnerlicht hat, wer nicht gleich alles glaubt, was in der Tagesschau, der Bildzeitung, der Treffermeldung steht, hat das Wesentliche des IK begriffen.

Wie unterrichtet man das? Weiterlesen