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Lügner, Leugner und Verschwörer: Das Internet erschwert den Erwerb von Informationskompetenz

Es ist immer ein Bohren dicker Bretter, wenn in Sozialkunde, Geschichte oder Deutsch verlangt wird, das Wichtige in einem Zeitungsartikel, einem Dokument, einem Essay zu unterstreichen oder gar mit eigenen Worten wiederzugeben. Ein noch dickeres Brett ist, das Interesse hinter dem Zitat oder dem Text zu erkennen. Dass z. B. auf der Webseite der Islamischen Republik Iran eine Islamdefinition steht, die nicht als allgemeingültig betrachtet werden kann. (Nach den – formalen – Evaluationskriterien eines amerikanischen Handbuchs über Informationskompetenzvermittlung im Unterricht galt die Seite als nicht zu beanstanden.) Oder, wenn die Linkspartei die Achtung der Menschenrechte in Kuba für vorbildlich hält, dies nicht mit der Wirklichkeit verwechselt werden darf, sondern als Aussage von Linken erkannt wird.

Mancher Schüler fragt mit Recht, woran er denn erkenne, was wichtig und was unwichtig in dem Text sei? Im Verlauf mehrerer Schuljahre kann man Kategorien vermitteln, die ein wenig helfen. Ich will nicht behaupten, dass Schule und Lehrer durchweg erfolgreich bei der Vermittlung von Kompetenz im Umgang mit Quellen im Referate schreiben sind. Obwohl es seit Jahrzehnten in den Sprachbüchern Kapitel dazu gibt. Ein kompetenzorientierter Unterricht hilft anscheinend auch nicht weiter, wie erste Befunde zeigen.

Seit einigen Jahrzehnten begreifen sich Bibliothekare als Vermittler von Informationskompetenz. Hervorgegangen ist der Begriff aus der library instruction, der Einführung in die Bibliotheksbenutzung, und wurde auf die Informationssuche im Internet ausgeweitet. Er ist gekoppelt mit dem Slogan des „lebenslangen Lernens“ und hat auch eine Schnittstelle zur Bloomschen Taxonomie der Lernziele im kognitiven Bereich. Er beschäftigt Heerscharen von Wissenschaftlern. Sogar Informationskompetenzerwerbs- und -vermittlungsstrategien für den Kindergarten werden modelliert.

Jetzt ist er auch in Deutschland angekommen. Und steht so(gleich) in Bibliotheksgesetzen und in Vereinbarungen der Kultusminister mit dem Deutschen Bibliotheksverband.

Das Wichtigste sind m. E. die ersten Phasen der jeweiligen Modelle des Informationskompetenzerwerbs (IK): Das Erkennen des Informationsbedarfs, die Entwicklung einer Fragehaltung. Wer eine Fragehaltung verinnerlicht hat, wer nicht gleich alles glaubt, was in der Tagesschau, der Bildzeitung, der Treffermeldung steht, hat das Wesentliche des IK begriffen.

Wie unterrichtet man das? Weiterlesen

„Wo Wikipedia auf Brockhaus trifft“: DIE ZEIT über Schulbibliotheken

Ein erfreulich kompetenter Bericht über Schulbibliotheken in Deutschland erscheint in der ZEIT Nr. 15 v. 8.4.2011, p. 72.

Burkhard Wetekam erwähnt funktionierende Beispiele wie Hamburg nach dem SPD/Grüne-Koalitionsvertrag und Frankfurt/M und kennt die temporäre Schulbibliothek auf der Leipziger Messe. Er nennt Faktoren, die die Entwicklung des Schulbibliothekswesens in Deutschland hemmen. Der modernen Schulbibliothek gibt er im Internetzeitalter durchaus eine Chance.

Schön, dass einmal ganzseitig in einer national verbreiteten Zeitung fundiert berichtet wird. Ich habe den Artikel lieber gelesen als den in der taz vor einem halben Jahr.

Nachtrag: Jetzt ist der Artikel auch online.

Wer vertritt eigentlich Schulbibliotheken?

Im Zusammenhang mit dem vorhergehenden posting wird mir wieder einmal bewusst, dass die Schulbibliotheken keine Interessenvertretung haben. Das fällt immer wieder auf, bei medienpädagogischen Kongressen, bei bildungspolitischen Aktionsbündnissen, bei Gesetzeshearings, bei Enquetekommissionen, bei Gutachte(r)n des Schavan-Ministeriums.

Ich weiß, es gibt Interessenverbände, die Schulbibliotheken immer mal wieder erwähnen. Aber wir haben z. B. beim Hearing zum hessischen Bibliotheksgesetz erlebt, dass außer der LAG niemand konkrete Vorschläge machte. Ein Bibliotheksverband beschränkte sich auf den lauwarmen Satz, man solle die Schulbibliotheken nicht vergessen, ein anderer plädierte dafür, diese aus dem Gesetz herauszulassen, schließlich werde Leseförderung und Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz vom Bildungspartner Bibliothek betrieben. Bei der Bundestags-Enquetekommission reichen Verbände dicke Papiere ein, posten und kommentieren auf den einschlägigen Webseiten. Ihr Interesse ist selten mit dem der Schulbibliotheken kongruent.

Das beste Beispiel ist der Deutsche Bibliotheksverband dbv, der die Interessen der öffentlichen Bibliotheken und ihrer Bibliothekare vertritt. Man will das Thema nicht aus der Hand geben. Man ist nicht sonderlich erbaut, wenn sich Lehrer engagieren und dem Thema Beachtung verschaffen. Man fährt, wie in den letzten Jahren zu beobachten war, einen Schlingerkurs. Bibliothekare (darunter auch ein Vorsitzender der dbv-Expertenkommssion „Bibliothek und Schule“) empfehlen, wie in Brandenburg und NRW geschehen, den Schulträgern, kein Geld für Schulbibliotheken auszugeben. Die Arbeitsgruppe, die den dbv-Vorstand berät, heißt nicht „Schulbibliothek“, sondern „Bibliothek und Schule“. Ich schätze einige Menschen darin sehr, aber objektiv betrachtet, muss sie einen Spagat hinlegen. Momentan erfreut sich das Standbein „Schulbibliothek“ in dieser Arbeitsgruppe wieder einmal großer Sympathien. Die Gruppe kann natürlich nicht auf oder außerhalb der Verbandsebene agieren, sie ist Beratungsgremium eines Verbandsvorstandes.

Dass man manchmal nicht recht zu erkennen vermag, wer zu wem in dem Beziehungsgeflecht Kommission, dbv-Vorstand, Bibliotheksdienstleister ekz gehört und wer wessen Flyer und Broschüren verteilt, macht die Sache nicht einfacher.

Eine unabhängige Institution wäre wünschenswert. Die Stiftung Lesen hat schon vor zwei Jahrzehnten abgewunken. In ihrem Stiftungsrat sitzen eben auch Verbände. In Bildungspolitik, Schulverwaltung und Erziehungswissenschaft scheint die Auffassung zu herrschen, dass die Schulbibliothek mit ihnen nichts zu tun hätte. Wenn wir mit den bildungspolitischen Sprecher/-innen der Parteien reden wollen, landen wir schon mal bei deren kultur- bzw. wissenschaftspolitischen Pendants, weil jene im Wort „Schulbibliothek“ nur „Bibliothek“ herausgelesen haben und dann unzuständig zu sein glauben. Wir wurden im Hessischen Landtag problemlos zum Bibliotheksgesetzhearing eingeladen, aber die Einladung zum wichtigeren Hearing für die Schulgesetznovelle kam, trotz Erinnerung, nicht.

Als kleiner regionaler Verband können wir das hier beklagte Defizit nicht aus der Welt schaffen. Wir haben immerhin erreicht, dass auch die Schulbibliothekstage im Kalender von schulmediothek.de aufgeführt werden, die nicht von Bibliotheksverbänden oder ihnen nahestehenden Einrichtungen veranstaltet werden.

Freudentänze zur Eröffnung einer Schulbibliothek

Wo hat man das schon mal? In einer Grundschule!

Bei der Gelegenheit: Wenn man Google-News mit dem Stichwort „Schulbibliothek“ durchsucht, kommt man aus dem Staunen  nicht mehr heraus. Deutschland scheint ein Schulbibliotheksparadies zu sein.

Zugegeben, in sehr vielen Nachrichten übergibt der Förderverein ein Buch oder die Schulbibliothek ist Veranstaltungsort für eine Bürgerversammlung oder einen Vortrag über Gesundheitserziehung.

(Das kenne ich: Kaum gibt es die Schulbibliothek, tagt darin der Personalrat, ein Elternabend oder hält eine Kollegin ihre Sprechstunde ab. Weil es der angenehmste und aufgeräumteste Raum der Schule ist. Auch wäre ich vor 20 Jahren nicht auf die Idee gekommen, aller Welt zu verkünden, dass ich in der Kreisbücherei wieder einmal ein Kiste voller Bücher als Blockausleihe geholt habe. Heute ist das ein Staatsakt, zu dessen Behufe ein Vertrag abgeschlossen wird und Schulleiter und Kulturdezernent sich im Blitzlichtgewitter der Regionalpresse die Hand geben.

Auch wenn es demnach nur in der Hälfte der Nachrichten wirklich um die Schulbibliothek geht, gewinnt man den Eindruck, dass jede Woche irgendwo eine neu eröffnet oder grundsaniert wird. Ein paar hübsche Ideen werden so auch publik.

Seit einem Vierteljahrhundert setze ich darauf, dass diese Quantität endlich in eine neue Qualität umschlägt.

Ich finde es nicht falsch, wenn man sieht, dass es weit mehr als die gebetsmühlenhaft behaupteten 10-15% Schulen mit Bibliothek/Mediathek gibt, sondern eher 40 bis 50%. Diesen Skandal finde ich viel schlimmer: In wahrscheinlich 15000 der etwa 35000 öff. Schulen gibt es (überwiegend) ehren- und nebenamtlich geführte Einrichtungen, die ein Schattendasein führen, von der Bildungspolitik i. d. R. negiert werden und eben kaum eine gesetzliche und institutionelle Regelung haben.

PISA und die Schulbibliotheken. Ein Nachruf

Als Lehrer und als Vater weiß ich: Man muss sich öfters wiederholen, wenn es hängen bleiben soll. Einmal sagen reicht nicht.

Hier ein weiteres Mal etwas zu „PISA und die Schulbibliotheken“. Allerdings auch zum  letzten Mal. (Habe ich mir fest vorgenommen.)

Leider hört auf mich keiner. Die Funktionäre des Bibliothekswesens schon gar nicht. Sie bedienen sich pädagogischen Vokabulars, ohne dabei immer den Wesenskern zu treffen. So war das schon beim „Spiralcurriculum“, so ist es bei PISA und bei Ganztagsschulen. Man bedient sich der Wörter, instrumentalisiert die Sache für seine Zwecke.

Das Interesse an Schule und Schulbibliothek hatten die Verbände verloren, als es im Gefolge Pichts und später des Bildungsratsgutachten nichts wurde mit 35000 Planstellen für Bibliothekare in Schulen.

Nun haben die Strategen der Bertelsmann-Stiftung vor einigen Jahren ein neues Drehbuch geschrieben, nach dem die öffentlichen Bibliotheken sich den Schulen als Bildungspartner anbieten sollen und früher oder später folgerichtig am Bildungshaushalt partizipieren sollen. Die Schulbibliothek steht dabei nicht mehr im Mittelpunkt. Daher findet man sie auch nicht oder nur als Beiwerk in Bibliotheksgesetzen und Kooperationsverträgen des dbv e.V. mit Landesregierungen. Für den Ausbau des Schulbibliothekswesens ist das fatal. Der Potsdamer Bibliotheksprofessor Hans Christoph Hobohm fordert denn auch bewundernswert klarsichtig „Schulbibliotheken statt Bibliotheksgesetzen“.

Argumentativ flankiert wird die „Bildungspartnerschaft Bibliothek und Schule“ und, falls unvermeidlich, die Forderung nach Schulbibliotheken, mit PISA. Nun sind Schulbibliotheken kein Topthema der Bildungspolitik. Daher schenkt man der tibetanischen Leier „Wegen PISA mehr Schulbibliotheken“ wenig Aufmerksamkeit. Zum Glück. Denn Sachsen und Thüringen sind bei PISA-E und Ländervergleichsstudie nicht besser geworden, weil sie in Schulbibliotheken investiert hätten. Zwischendurch hatte auch Brandenburg einmal in irgendeiner Untersuchung vorübergehend besser abgeschnitten, auch nicht dank des brandenburgischen Schulbibliothekswesens.

(Die Potsdamer Landesfachstelle glaubte, das Thema Schulbibliothek 2004 mit einer Protokollnotiz beerdigt zu haben. Man war sich mit einem Vertreter des Bildungsministeriums einig, vorrangig in die Kooperation Bibliothek und Schule zu „investieren“ und nicht in neue Schulbibliotheken.)

Südtirol hat vorbildliche Schulbibliotheken und schneidet bei PISA hervorragend ab  – besser sogar als Finnland. Die Wiesbadener Helene-Lange-Schule hatte das beste deutsche PISA-Ergebnis. Die charismatische ehemalige Direktorin Enja Riegel ist eine Gegnerin von Schulbibliotheken. (Sie fand, dass Schüler/innen draußen im Leben lernen sollten, also auch in die öB gehen sollten und nicht in die Schulbibliothek. Wir hatten Glück, dass sie nicht Kultusministerin oder Staatssekretärin wurde, was ihr Ziel war.) Auch die Gesamtschule an meinem früheren Wohnort sagte von sich, sie hätte ein hervorragendes PISA-Ergebnis und der „Focus“ zählte sie einmal zu den 100 besten deutschen Schulen. (Meine Tochter hatte den Schulleiter als Fachlehrer in einem Hauptfach. Nun ja, ein guter Schulleiter muss ja nicht auch ein guter Lehrer sein.) Auch diese Schule, als einzige im Landkreis, hatte keine Schulbibliothek. Erst jetzt, seit sie auf dem Weg zum Gymnasium ein gutes Stück weitergekommen ist, hat sie eine Oberstufenarbeitsbücherei – eben nur für Oberstufenschüler.

In Südtirol gibt es einige andere Faktoren, die sehr plausibel sind (soziokulturell, vor allem sprachlich homogene Bevölkerungsstruktur). Was meiner Bewunderung für das Schulbibliothekswesen im deutschsprachigen Südtirol keinen Abbruch tut.

Eine Erklärung für das gute Abschneiden gibt Rudolf Meraner vom Pädagogischen Institut Bozen: Die Lehrer würden von Anfang an mit einer heterogenen Gruppe von Schülern konfrontiert. Es sei kaum möglich, Schüler abzuschieben. Die Lehrer müssten mit allen Kindern arbeiten. Dies sei ein entscheidender Punkt, da die Lehrer herausfinden müssten, welche Lern-Settings sie anwenden, um weder zu über- noch zu unterfordern. (Quelle: „Der Standard„, Wien)

Im Falle Finnlands hat es sich wohl herumgesprochen, dass es keineswegs ein flächendeckendes hervorragendes Schulbibliothekswesen gibt, wenn auch gute öffentliche Bibliotheken. Dass ihre Schulen so gut bei PISA abschneiden, verwundert die Finnen. Wer es kann, schickt seine Kinder auf die deutsche Schule in Helsinki, die nach deutschen Lehrplänen unterrichtet und das deutsche Abitur vergibt.

Shanghai liegt in China und China gibt vergleichsweise sehr viel Geld für Lehrerbildung aus.

In Südkorea liefern Eltern manchmal die Hälfte ihres Einkommens in den 70000(!) Nachhilfeeinrichtungen ab, weil sie das staatliche Schulwesen für schlecht halten. Das beschränkt sich nicht nur auf die obere Mittelschicht. Südkorea ist nicht nur in Lesekompetenz führend, sondern auch in der Selbstmordrate von Jugendlichen. Die Geburtenrate nimmt ab, weil die jungen Ehepaare die hohen privaten Bildungsausgaben scheuen.

Wenn ich die Ergebnisse der USA-Studien („Colorado“ usw.), die einen Zusammenhang zwischen guten Schulbibliotheken und gutem Abschneiden in nationalen Tests belegen – zitiere, verweisen Kollegen unbeeindruckt auf das Abschneiden der USA bei PISA.

Bei den Erklärungsversuchen für gute Schülerleistungen tappen Forscher/innen und Bildungspolitiker/innen im Dunkeln. Und machen sich teilweise lächerlich. Die einen messen und vergleichen, vergleichen und messen, die anderen starten jeden Monat ein neues bildungspolitisches Projekt. Rührend hier im  Osten: Das angeblich gute Fundament der DDR-Schule für die Erfolge Thüringens und Sachsens anzuführen. Wo liegen eigentlich Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern?

Am überzeugendsten ist der Zusammenhang von Schulerfolg und Elternhaus.

Kurz gesagt, vergesst „PISA und die Schulbibliotheken“! Schulbibliotheken sind auch ohne die ständige Berufung auf PISA berechtigt, richtig und wichtig. Diese Sichtweise sollte man durch geeignete Projekte und Untersuchungen befördern. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Definition von Lesekompetenz bei PISA nicht unumstritten ist. Sie umfasst weit weniger als Leseforschung und Lehrpläne darunter verstehen.

Als die Bertelsmann-Stiftung Kultusministerien ihr millionenschweres Projekt „Zusammenarbeit Bibliothek und Schule“ vorstellte und Kooperation statt Kritik erwartete (Zwei Lehrer pro kooperierender Schule sollten regelmäßig – mehrere(?) Jahre – in einer Projektgruppe der Stadtbücherei mitarbeiten), plädierten die Vertreter Sachsens und Hessens vorsichtig für Projekte für Schulbibliotheken.

Das Ergebnis des Projektes: Hochglanzbroschüren, in denen „kreative“ Bibliotheksführungen und -rallyes vorgestellt wurden.

Zusammenarbeit Lehrer und Bibliothekar

Nicht: Zusammenarbeit von Bibliothek und Schule.

Beim Kampf um Ordnung auf meinen Festplatten stoße ich auf den Inhalt einer CD-ROM: „Teaching Information Skills” der Australian School Library Association von 1997

CD IK AU

Auf ihr wird anhand von 12 Unterrichtsbeispielen detailliert aufgezeigt, wie Lehrer und Teacher-Librarian bei der Planung und Durchführung von Unterricht in jeder Phase des Rechercheprozesses zusammenarbeiten.

Die CD hat maßgeblich mein Verständnis von Zusammenarbeit und überhaupt von Schulbibliothek geprägt.

Der Weg der engen Zusammenarbeit von Fachlehrkraft und Bibliothekslehrkraft wurde in der angelsächsischen Welt seit damals weiter beschritten und erforscht:

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Neuer Kurs für Medienpartnerschaft Bibliothek und Schule?

In Nordrhein-Westfalen spricht die Bertelsmann-Stiftung in der Bildungspolitik ein Wort mit. Weniger vorsichtig ausgedrückt: Was in Gütersloh ausgedacht wird, setzt die Landesregierung um. So war das auch mit der Medienpartnerschaft „Bibliothek und Schule“. Wenigstens einen neuen Namen durfte das Land kreieren: „NRW-Bildungspartnerschaft Bibliothek und Schule“.

Entsprechend der Reihenfolge im Projektnamen ging es vor allem um eine Aufgabenverlagerung von der Schule in die öffentliche Bibliothek und deren Stärkung durch Haushaltsmittel aus dem Kultushaushalt. Schulträger erhielten die frohe Botschaft, dass sie die Schulbibliothek einsparen könnten. So las es sich in den Bertelsmann-Broschüren, so verkündeten es Schulbibliotheksexperten(!) auf Tagungen.

Siehe im Blog hier und hier!

Jetzt legt der Landtag in Düsselsdorf ein Papier vor: „Das öffentliche Bibliothekswesen in NRW“ .

Darin geht es neben einer Bestandsaufnahme um die zukünftige Entwicklung. Die öffentlichen Bibliotheken sollen kundenorientierter werden, mit längeren Öffnungszeiten und mehr Service. Sie sollen Lernort für Erwachsene werden, mit Gruppenarbeitsräumen, individuellen, ungestörten Arbeits- und Leseplätzen u.a.m. Sie sollen für Erwachsene das werden, was gute Schulbibliotheken weltweit für Schüler/innen sind: Lern-, Kultur- und Kommunikationszentren.

Noch einmal wird bekräftigt, dass das Bildunspartnerschaftsprojekt ein voller Erfolg war:  Es werde in 100 Kommunen „nachhaltig“ umgesetzt. Die Projektergebnisse seien bibliothekarisches Standardwissen (p 5).

Auf Seite 9 geht es wieder um Schule:

Die Ganztagsschule mache die „bibliothekarische Versorgung“ innerhalb der Schule immer wichtiger. Auch für die Gestaltung der freien Zeiten zwischen dem Unterricht sei eine Bibliothek in der Schule wichtig.
Es müssten also neue Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Bibliothek und Schulbibliothek(!) entwickelt werden.

Man kann wieder über Schulbibliotheken reden. Vielleicht wird sogar die Stiftung mit einem neuen Projekt (wieder) Vorkämpferin für Schulbibliotheken werden?

Lieber NRW-Landtagspräsident, schicke das Papier doch bitte an den hessischen dbv-Landesvorsitzenden und CDU-Landtagsabgeordneten Lenz. Uns hat er es ja nie geglaubt. Und auch an Ministerpräsident Platzeck in Brandenburg, der der Ansicht ist, Kooperationsverträge erübrigten ein Schulbibliothekswesen.

Der URL zum Dokument.

200 Bibliothekslehrer in Südtirol ausgebildet

In Südtirol werden Lehrkräfte für die Leitung von Schulbibliotheken weitergebildet. Sie müssen in einem Portfolio dokumentieren, dass sie kompetent in Sachen Leseförderung, Unterricht in der Bibliothek und Recherchetraining sind. Bei ersterem und letzterem habe ich mehrmals mitwirken dürfen. Als Mitglied der Prüfungskommission konnte ich lesen, welche hervorragenden Praxisbeispiele entstanden sind. (Die besten tauchen in Broschüren des Bozener Pädagogischen Instituts auf.)

Leider muss man sagen: „…wurden ausgebildet.“ Das Land hat inzwischen ausreichend viele  für die 204 Schulbibliotheken und stellt die Lehrgänge erst einmal ein.

Ein Vorschlag: Die Freundinnen und Freunde in Südtirol bauen ihre Position als schulbibliothekarisches Mekka aus und veranstalten einen Schulbibliothekstag der besonderen Art, kleine, feine Tagungen für fortgeschrittene Schulbibliothekare und Schulbibliothekarinnen.

Im Herbst, auf der IASL-Konferenz  in Abano Terme, könnte man doch  darüber reden.  Vor etlichen Jahren fand zur Leseförderung einmal eine hochkarätige Veranstaltung statt, die Maßstäbe setzte.

Zur Pressemitteilung der Südtiroler Landesregierung

Update: Die 200 Lehrer/innen sprechen sich in Deutschland herum. 5 Tage nach obigem Eintrag war dies auch einem führenden bibliothekarischen Weblog, der i.d. R. umfassend und detailliert berichtet, der Erwähnung wert. Es fehlte nur der Hinweis, dass es sich dabei um Lehrer handele.

Um wieder zu Südtirol zurückzukommen:

Dort wollten die Vertreter des öffentlichen Bibliothekswesens ursprünglich die Entstehung des Schulbibliothekswesens verhindern.

Schulbibliothekstage allerorten

Der Knoten ist geplatzt:

Kaum ist der 19. Hessische Schulbibliothekstag vorbei, hört man von einem 1. Bayerischen Schulbibliothekstag. In Brandenburg/Berlin findet 2009 schon der 2. Schulbibliothekstag statt. In Schleswig-Holstein gibt es den 1.  Auch in anderen Bundesländern wird geplant.

In Österreich gab es 2007 in Wels eine Großtagung, zu deren Vorbereitung auch Kontakte zwischen österreichischen und hessischen Kollegen, u. a. auf der Leipziger Buchmesse, beitrugen.

Im Rückblick erscheint es mir als ein kleines Wunder, dass es in Hessen zwei Jahrzehnte gelang, jeweils eine Schule mit (vorzeigbarer) Bibliothek und einer großen Aula zu finden. (Zweimal mussten wir für das Plenum in eine benachbarte Stadthalle ausweichen. Übrigens kostenlos! In Potsdam kosten sogar Schulen! ) Auch für 2011, für den 20. Kongress, wurde wieder eine gastgebende Schule gefunden!

Hat die wachsende Zahl von Schulbibliothekstagen etwas damit zu tun, dass die Strategie der Bildungspartnerschaft „Bibliothek und Schule“ ihren Praxistest nicht bestanden hat, weil die Schulbibliotheksidee nicht so einfach zu beerdigen ist?

Schön wäre es, wenn die neuen Schulbibliothekstage nicht zu Verkaufsveranstaltungen der ekz und ihrer Tochterfirmen gerieten.

Nachtrag vom 14.9.09:

Über drei Ecken erreicht mich eine Notiz, dass es auch in NRW einen Schulbibliothekstag geben werde.

Zu NRW gibt es  eine für das deutsche Schulbibliotheken typische Geschichte: Es war vor vielen, vielen Jahren, da wurde die hessische LAG mit Fragen gelöchert. Keine Autostunde von einer der hessischen Modell-Schulbibliotheken entfernt, erkundigte sich ein Lehrer aus NRW telefonisch, wie man eine LAG gründe. Dann hörten wir nie mehr von ihm. Die Sekretärin der Schule, an der er arbeitete, ließ ihn ausrufen, musste aber immer bedauern, dass sie ihn nicht erreiche, obwohl er im Haus war. Ein Rückruf geschah nie.

Dann lasen wir verblüfft, dass es in NRW kein Podium zum Thema gab, auf dem er nicht saß. Auf seiner Website stand bis vor kurzem die Ankündigung eines Schulbibliothekstages für das Jahr 2002 0der 3.

Jetzt ist anscheinend frischer Wind aufgekommen. Den faktischen Ein-Mann-Betrieb scheint ein normaler Vorstand übernommen zu haben, drei Diplom-Dibliothekare und eine Lehrerin als Kassenwartin. Eine neue (leere) Website gibt es und ein Schulbibliothekstag werden angekündigt. Der fünfte, so heißt es, in NRW!

So lebt man nebeneinander her.

Wir wollen nicht nachtragend sein, obwohl auch die Neuen nicht sehr kontaktfreudig zu sein scheinen. Hier sind das Programm und ein Link:

„Von der Medienbox zur Lesenacht – Spiralcurriculum in der Schulbibliothek“, „Neue Ideen für Klassenführungen“, „Leseförderung für Migranten“, „Präsentation aktueller, attraktiver Kinder- und Jugendbücher“, „(Schul-)Bibliothekarisches Grundwissen“, „In der Schule ankommen – Angebote der Schulbibliothek verankern“, „Die Schulbibliothek als unterrichtlicher Lernort im schulischen Alltag“

Kontakt (Die Tagung war am 14.9. nicht auf der Website.)

Bericht vom Kieler Schulbibliothekstag

Nashville, TN: Stadtbibliothek soll die Schulbibliotheken übernehmen

In Nashville hat der Bürgermeister auf einer Pressekonferenz vorgeschlagen, dass die Stadtbibliothek sich um das Schulbibliothekssystem der Stadt kümmert (137 Schulen, 200 Angestellte).

Für den Bürgermeister ist Schule ein wichtiges Thema geworden, da die die Stadt zu wenig Fortschritte im nationalen „No Child Left Behind“-Programm macht. Außerdem könnte ein gemeinsamer Medieneinkauf für die Sekundarstufe Synergieeffekte bewirken. die Stadtbibliotheksdirektorin weist auch darauf hin, dass dadurch ein Zugang zu den OPACs der Stadtbibliothek und der Universitätsbibliotheken möglich wäre.

Erwartet wird außerdem, dass durch die Übernahme der Schulbibliotheken in die Regie der Statbibliothek die Schulbibliotheken nachmittags länger geöffnet bleiben und das außerschulische Angebot der Stadtbibliothek für Teenager auf alle Schulbibliotheken ausgeweitet wird.

Vertreter des städtischen school boards (Ein entsprechende Einrichtung gibt es in Deutschland nicht) begrüßen die Fusion, wenn sie eine Qualitätssteigerung für die Schulbibliotheken bringe und die Schulbibliotheken nachmittags zu soziokulturellen Zentren würden.

Sie hätten sich nur gewünscht, dass der Bürgermeister vor der Pressekonferenz auch einmal mit Ihnen darüber geredet hätte. Der Bericht auf der Internetseite des US-bibliotheksverbandes hier.

Egal, wie die Begleitumstände sind: Das hört sich anders an als die Kooperationsverträge des dbv mit einigen Kultusministern. Darin kommen Schulbibliotheken so gut wie nie vor.

Zur Zusammenarbeit von Schule und Bibliothek

In seinem anregenden Blog „Bildung und gutes Leben“ referiert Karsten Schuldt eine Studie über die Zusammenarbeit von Bibliothek und Schule.

Seine einleitenden Bemerkungen zur Bildungspartnerschaft von öffentlicher Bibliothek und Schule enthalten treffende Beobachtungen zur Strategie des dbv:

„…dass für Öffentliche Bibliotheken die Kooperation mit möglichst vielen unterschiedlichen Einrichtungen und gesellschaftlichen Initiativen notwendig ist, um ihre gesellschaftliche Funktion zu erfüllen: in der Realität wird doch meist mit Schulen kooperiert. Das ist kein deutsches Phänomen, obwohl es schon etwas Besonderes ist, dass diese Fixierung auf Schulen als Kooperationspartner nicht, wie in vielen anderen Staaten, auf einem funktionierenden Schulbibliothekssystem basiert…“

Das Referat über die Studie von Patricia Monteil-Overall „Toward a Theory of Collaboration for Teachers and Librarians“ trifft aber das erwartete Thema nicht so eindeutig, wie es die Einleitung erwarten lässt.

Monteil-Overall sieht die höchste Form der Zusammenarbeit von Lehrer und Bibliothekar, wenn sie in der Schule/Schulbibliothek durch Kooperation bei Planung und Durchführung von Unterricht stattfindet. (s. auch in diesem Blog die Artikel pädagogische Wende und große Unterrichtsvorbereitung.)

Sie spricht nicht von Lehrer und Bibliothekar, sondern von teacher und school library media specialist (slms), also den Schulbibliothekar/inn/en und den Fachlehrkräften. (Manchmal schreibt sie auch nur library media specialist, aber das wird in USA synonym oder jedenfalls im Zusammenhang mit Bildungsinstitutionen wie Schule und Universität verwendet.)

Wenn dies mit Bildungspartnerschaft Bibliothek und Schule gemeint ist, wäre das ok. Ich bezweifle, dass in Deutschland mit Bildungspartnerschaft Bibliothek und Schule die enge alltägliche Zusammenarbeit von Fachlehrer und Schulbibliothekarin gemeint ist.

Wäre ein Denken in diesem Bezugssystem aber sinnvoll? Trifft in der Rolle des slms wirklich Bibliothek auf Schule oder ist die/der slms nicht viel mehr ein schulpädagogischer Spezialberuf?

Schon das Ausbildungcurriculum der Stuttgarter Bibliothekshochschule sah für die -eingestellte- Ausbildung zur Dipl. Bibl.in mit Schwerpunkt Schulbibliothek mehr als zwei Drittel pädagogische Lehrinhalte vor.

Lesen wir den Artikel so, dass den Strategen bei Bertelsmann und dem dbv durch diese subversive Argumentation klar gemacht werden soll, dass sie mit ihrem Begriff von Bildungspartnerschaft auf dem Holzweg sind.

Auf jeden Fall stimme ich Karsten Schuldt zu, dass das Feld der Zusammenarbeit von Lehrer und Schulbibliothekar, von Schule/Schulbibliothekar und öffentlichem Bibliothekar ein Forschungsfeld für die Bibliotheks- und Informationswissenschaftler sein könnte.

Die Erziehungswissenschaftler lassen die Schulbibliothek ja links liegen, wie wir aus Bildungsberichten und Kompetenzstudien wissen. Oder sie kommen zu Untersuchungsergebnissen, bei denen die Klassenbibliothek wichtiger erscheint als die Schulbibliothek.