Ich habe es nicht vergessen: Ein Mitglied des Kollegiums fehlte häufig tageweise, mehr als ein ganzes Jahr. Wie üblich mussten die nicht-kranken Kollegen ihn in seinen Klassen vertreten. Wie das dann so der Alltag im Lehrerzimmer ist: Man freut sich, dass man Morgen erst zur 2. Stunde kommen müsste, aber… Oder man will die „Freistunde“ nutzen, um Hefte zu korrigieren oder den Kartenraum aufzuräumen, aber … Man macht es arg- und klaglos. Man kann ja selbst auch einmal krank werden.
Bald darauf schmückt sich der Kollege mit einem Doktortitel. Jetzt ist klar, warum er so häufig seinen Unterricht schwänzte.
Die Geschichte fällt mir ein, wenn ich lese, dass einer beiden Geschäftsführer der Berlin-Brandenburger Flughafengesellschaft, Manfred Körtgen, sich promovieren lässt, mit einer Arbeit zu dem Thema, mit dem er gerade beschäftigt ist: Optimierung komplexer Planungsprozesse. Vielleicht hat es ja mit der Promotion geklappt, mit dem Thema hat´s in Schönefeld nicht so richtig geklappt. Seinen Job ist er los.
Nachtrag: Das Thema Dissertation tauchte in den Medien m. W. so gut wie nicht auf. Als es einmal erwähnt wurde, relativierte Ministerpräsident Platzeck, die Dissertation sei nicht „in der heißen Phase“ geschrieben worden, sondern vorher.
In diesem Fall kommt bei der Promotion noch ein weiterer Aspekt hinzu. Bei meinem Lehrerkollegen gab es ein Forschungsinteresse, das weit entfernt von seinem Unterricht lag. Er wurde über die Wortwahl bei einem bekannten deutschen Schriftsteller promoviert.
Dr. Körtgen hat das beschrieben, was er als Geschäftsführer gerade macht. Ähnlich war es bei Dr. Paffhausen, dem Geschäftsführer der Potsdamer Stadtwerke „Energie und Wasser“, einem Konzern, aus dessen „Schattenhaushalt“ diverse Kommunalpolitiker Wohltaten finanzieren können. Auch er stützte sich in seiner Dissertation auf die Vorgänge, die er auf dem Tisch hatte. Anders als mein Kollege hatte er beim Zeitmanagement aber wohl bessere Ressourcen. Oder schrieb er seine Dissertation auch auf dem Rücken seiner Mitarbeiter?
Ich möchte nicht vorschnell urteilen. Vielleicht haben sich die Herren einen lang gehegten Wunsch erfüllt, konnten ihn nach dem Studium nicht realisieren. Vielleicht ging es ihnen nicht um Reputationsmanagement, sondern um echtes wissenschaftliches Erkenntnisinteresse. Aber ein Geschmäckle bleibt.
Ein Vorbild gab es in Potsdam für diese Art der Promotion: An der MfS-Hochschule in Potsdam-Golm war es die Regel, dass die Stasi-Offiziere den Doktortitel für ihre Fallbeschreibungen bekamen, dafür, wie sie Freundschaften zersetzten, sich das Vertrauen pubertierender Jugendlicher verschafften oder Volksschädlinge ausmerzten.