Schlagwort-Archive: Migration

Die Einwanderer und die Schulbibliotheken

Seien wir realistisch! Die Aufgabe, die Einwanderer winterfest und einigermaßen menschenwürdig unterzubringen, ihnen medizinische Hilfe zu gewähren, sie zu beschulen und ihnen Arbeitsplätze zu verschaffen, wird Bund, Länder und Kommunen für Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit und wohl darüber hinaus beanspruchen.

Ich glaube, es wird erst allmählich klar, was auf uns zukommt: Kostenlose medizinische Versorgung, wie von einigen Parteien gefordert? Hunderttausende von Jahrespraktikanten in Firmen mit dem vorgeschriebenen Mindestlohn von 8,50 €, Erhöhung des Hartz-IV-Etats, Zehntausende weiterer kostenloser Kitaplätze bei gleichzeitiger Heraufstufung der Gehälter der dort Tätigen. (Interessanterweise wurden die Sozialpädagogen in den Sozialämtern bei der Schlichtung von verdi vergessen. Auf die kommt die Einwandererwelle aber auch zu.) Ob nach dem Verbot der Massentierhaltung alle Einwanderer mit Produkten aus der Region und vom Biobauern ernährt werden können? Lassen wir es genug der Probleme sein und sparen die bei der gesellschaftlichen Integration aus. Die ist ja sogar bei Migranten, die seit 20 Jahren hier leben, nicht immer gelungen, siehe Ehrenmorde oder auch „nur“ Sprachkenntnisse.

Mein Punkt ist ein anderer: Das Thema Schulbibliotheken wird in Deutschland noch randständiger, als es das schon immer gewesen ist.

Schulen hatten schon immer drängendere Probleme. Die Situation verschärft sich nun, sowohl was die fehlenden Lehrer angeht als auch fehlende Räume. Wie viele Schulbibliotheken sind in Räumen untergebracht, die als Klassenräume deklariert sind? Deren Benutzung kann im Bedarfsfall widerrufen werden. In manchen Bundesländern sind die Personalzuweisungen etwas höher als der von der Stundentafel verlangte Bedarf, vor allem im Ganztagsbetrieb. Dadurch wären in bescheidenem Umfang auch Stunden für die Schulbibliothek zu gewinnen gewesen. Die braucht man jetzt für Dringenderes.

Es wird gut gemeinte Versuche geben, die Notwendigkeit von Schulbibliotheken gerade für die neuen Einwandererkinder zu beweisen. Das Bundesbildungsministerium wird einen Modellversuch „Leseaktionen für Asylbewerber in der Stadtbibliothek“ finanzieren, es wird kostenlose Bibliotheksausweise geben, es wird eine Koordinationsstelle für Ehrenamtsinitiativen mit Internetportal geben und Schulbibliotheken werden Bücher in arabischer Sprache anschaffen, in Farsi und in Albanisch. Das wird hübsche Fotos für die Medien geben und Preise für engagierte Ehrenamtler. So richtig überzeugen wird es nicht. So wenig wie das schlechte Abschneiden bei den PISA-Aufgaben ein Argument für Schulbibliotheken wurde oder die angeblich besorgniserregend geringe Medien- und Informationskompetenz von Lehrern und Schülern dazu geführt hat, jene jetzt diesen von Bibliothekaren in Stadtbibliotheken vermitteln zu lassen.

Was ist zu tun?

Die große Lösung – Mischfinanzierung von Bund, Ländern und Kommunen, qualifiziertes Personal, gesetzliche, insbesondere haushaltsrechtliche Festlegungen – ist noch unrealistischer als sie es je war. (Siehe aber hier!) Weiter wie bisher, mIt List und Tücke, mit Sponsoren, Netzwerken, Reptilienfonds, Ehrenamtlern und einzelnen, geneigten Politiker/-innen.

Zwischendurch schauen wir Fahrenheit 451 und trösten uns, dass es so schlimm nun auch wieder nicht ist.

Flüchtlinge in Preußen: Die Hugenotten

Vieles erinnert an heute: Die Einwanderung der in Frankreich massakrierten und vertriebenen Hugenotten in Deutschland, insbesondere in Brandenburg-Preußen im 17. Jahrhundert.

Siehe die beiden einander ähnlichen Artikel in Wikipedia und DeuFraMat

Kann es sein, dass Migration der Normalfall und Sesshaftigkeit die Ausnahme ist?

Deutschland den Migrant/-innen!

Kürzlich hatte ich unter der Überschrift „Ich kann es nicht mehr hören“ über die unaufhörlichen Studien zum angeblichen Mangel an Computerkenntnissen und Computerausstattung in den Schulen gelästert. Die meist von der IT-Lobby gesponserten wissenschaftlichen Erhebungen werden in den Medien in der Regel 1:1 nachgebetet.

Bei einem anderen Thema, das auch Schule betrifft, aber darüber hinaus von Bedeutung ist, geht es mir ähnlich: Beim Thema Migration gibt es die ebenso unaufhörlichen Studien über die Benachteiligung der Migranten durch das deutsche Schulsystem, die deutschen Lehrer/-innen und überhaupt die fehlende Willkommenskultur. Weiterlesen

Lesetipp: In die neue Welt. Eine Familiengeschichte in zwei Jahrhunderten – Ein Sachbilderbuch

Migration ist nicht erst seit Lampedusa aktuell. Beim Gang durch die Geschichte könnte der Eindruck entstehen, dass Wanderung, Einwanderung, Auswanderung oder Flucht wesentliche geschichtliche Konstanten der Menschheitsgeschichte sind. Bedeutsamer jedenfalls als Sesshaftigkeit. Man denke an die Besiedlung Amerikas durch einwandernde indianische Stämme, die germanische Völkerwanderung, die Auswanderung von Deutschen nach Amerika und Russland, die Flüchtlingsströme, die von Kriegen ausgelöst wurden.

Ich bin aus Hessen nach Brandenburg umgezogen, einem Land, in das Schweizer, Niederländer, Franzosen und Pfälzer eingewandert sind und das, als es Teil der DDR war, Tausende verlassen hatten. Es sieht so aus, als ob Migration der Normalfall wäre und nicht Sesshaftigkeit.

Auswanderung ist das Thema des Sachbilderbuches von

Gera Reidt (Illustration) und Christa Holtei (Text),

In die Neue Welt. Eine Familiengeschichte in zwei Jahrhunderten

Es erzählt von einer Kleinbauern- und Weberfamilie, für die es zum Leben nicht mehr reicht. (Durch Realteilung wurden die Ackerflächen in Teilen Deutschlands auf die Erben aufgeteilt und somit immer kleiner.) Sie beschließen 1869, in die Neue Welt auszuwandern. Weiterlesen

Was ich gerade lese und sehe

Immer nur Schulbibliotheken?

  • Ich lese gerade Heinz Buschkowsky, Neukölln ist überall.
  • Heute habe ich, weil es mal wieder nichts im TV gab, eine DVD eingelegt, die die Bundeszentrale für politische Bildung verbreitet: Inside Job.

Weiterlesen

Besitzt der Bundespräsident Informationskompetenz?

Herr Wulff hat in einer Rede zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen dessen Verdienste um Migration und Integration von Fremden in Preußen gerühmt. Peinlich ist, dass das allermeiste davon durch den Großen Kurfürsten und den Soldatenkönig 100 bzw. 50 Jahre früher geschah, als Reaktion auf die Entvölkerung weiter Landstriche durch einen 30 Jahre dauernden Krieg. Muslime waren im Übrigen nicht darunter. Eine massenhafte Einwanderung derselben wäre auch kaum auf Gegenliebe im Volk gestoßen. Die Erinnerung an die Belagerung von Wien war noch weit verbreitet.

Seine oder die seiner Redenschreiber/-innen historische Unkenntnis erregt weniger Aufsehen als seine Gratishandys und Hotelaufenthalte. Wer will ihm das schon übelnehmen. Geschichtswissen gilt ja als unnützer Ballast. Das macht ihn schon fast wieder sympathisch.

Dokumentarfilme zum Thema Schule, Minderheiten und Kampf im Klassenzimmer

Caroline Fetscher hat in einer Zeitung Dokumentarfilme zum Thema Schule, Minderheiten und Kampf im Klassenzimmer zusammengestellt:

  • „Sein und Haben“ (Frankreich 2002)  Der Lehrer in einer einklassigen Volksschule
  • „Die Klasse“ (Frankreich 2008) Schüler aus bildungsfernen Banlieues von Paris
  • „Hart und herzlich. Eine türkische Lehrerin gibt nicht auf“ (WDR) Migranten und Integration
  • „Jedem Kind ein Instrument – Ein Jahr mit vier Tönen“, (WDR) Wie Musik Grenzen überwinden kann
  • „Herr Lengwenus – Der Schulleiter“ (NDR, 2009)
  • „Der Die Das“ (2008, von Sophie Narr, Hochschule für Film und Fernsehen, Potsdam)  Migrantenkinder im 1. Schuljahr
  • „Das Jahr der Entscheidung“ (2009, ZDF-Reihe „37 Grad“) 4. Schuljahr und Übergang auf weiter führende Schulen
  • „Die Hartz-IV-Schule“ (WDR, 2007) Zwei Drittel der Kinder haben Eltern ohne Arbeit.
  • „Kampf im Klassenzimmer“ (WDR 2010) Die Minderheit der deutschen Schüler wird gemobbt von einer türkisch-libanesischen Mehrheit, die deutsche Mädchen „als Schlampen“ bezeichnen, und Jungen, die Gewalt ablehnen, als „Weicheier“.

Die Filme sind teilweise auf DVD erhältlich, teilweise stehen sie noch in den Online-Mediatheken der Sender.

Bushido über Integration

Sarrazin wird inzwischen nicht mehr ausschließlich mit Schaum vorm Mund oder überhaupt nicht gelesen. Bei „Hart aber fair“ darf eine Deutschamerikanerin von Kreuzberger Zuständen erzählen und sich Unterbrechungen von Wowereit verbitten. Es gibt keinen Einspielfilm und sogar Plasberg hörte zu. Da wage ich einen Nachklapp:
Der Rapper und Buchautor Bushido kann eine Karriere vom Drogendealer zum Millionär vorweisen. Wer ihm seine Songs über ausgefallene Sexualpraktiken vorwirft, muss sich sagen lassen, dass er mit den Klischees deutscher Stammtische spielt. Genauso spielerisch geht er mit dem Thema Integration um:

„Deutschland ist ein Top-Land… So sehr, dass wir Einwanderer euch auf der Nase herumtanzen in eurem eigenen Land, können wir uns gar nicht beschweren… Wir ziehen euch die Transferleistungen aus den Taschen und haben trotzdem keinen Respekt vor euch. Wir halten euch für Kartoffeln, für Opfer.“

Der Spiegel 12.7.10

Das sei nicht seine Meinung, aber so sei es eben.

SPD-Mitglied kann man damit nicht werden.