Schlagwort-Archive: Heinz Buschkowsky

Was ich gerade lese und sehe

Immer nur Schulbibliotheken?

  • Ich lese gerade Heinz Buschkowsky, Neukölln ist überall.
  • Heute habe ich, weil es mal wieder nichts im TV gab, eine DVD eingelegt, die die Bundeszentrale für politische Bildung verbreitet: Inside Job.

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Pöbelnde Bloggerin beklagt sich sich über pöbelnde Blogger

Zum Abschluss der sonntäglichen Bloggerei noch etwas Heiter-Besinnliches:

Eine – laut Zeitung – unter dem Pseudonym Mike von Wegen mehrere Blogs betreibende und auch ein Buch veröffentlicht habende Mitbürgerin unterstellt dem Autor des Buches „Neukölln ist überall“, Heinz Buschkowsky, Rassismus“. Sie bewegt sich damit im leider üblichen Social Media Sprachgebrauch. Man benutzt rhetorische Tricks wie den, die Person anzugreifen, statt sachorientiert zu argumentieren. Und der erweiterte Rassismusbegriff wird gewohnheitsmäßig gegen alles verwandt, was einem nicht passt. (Ähnlich wie beim Faschismusbegriff). Die anonyme Bloggerin hat natürlich nicht plump geschrieben, B. wäre ein Rassist, sondern es „nur“ insinuiert: Sein Text wäre es. Genauso hatte es ein taz-Journalist mit dem Bundespräsidenten versucht. Jener hatte geschickt insinuiert, G. wäre eigentlich, genau genommen, fast ein Holocaustleugner.

Jetzt passiert das Irre:

Die Pseudonyma hat ihre Meinung auf einem Blog der SPD Neukölln veröffentlicht. Sowohl im Stadtteil wie in diesem Blog gibt es viele Buschkowsky-Anhänger. Die ließen ihr den Rassismusvorwurf nicht durchgehen.

Jetzt fordert sie von der SPD die Löschung der Einträge, von denen sie sich angegriffen und persönlich beleidigt fühlt. „Ich musste mit ansehen, wie Menschen nach mir traten, die ich nicht einmal kannte und die mich auf jeder Ebene meines Lebens zu verletzen suchten“, zitiert die Zeitung sie.

Ein besonnener Zeitungsleser schreibt: „Wer sich diesen Netzwerken hingibt, darf sich nicht wundern, wenn es unter Millionen von Nutzern auch welche gibt, die nicht den „richtigen“ Ton treffen, aber das hat Frau Büttner schließlich auch nicht getan.“

Nachtrag: Die pseudonyme Bloggerin ist mit ihrem Rassismusvorwurf noch ein harmloses Produkt des Berliner Meinungsklimas. Der SPD-Kommunalpolitiker Aziz Bozkurt toppt sie: Er vergleicht Buschkowsky mit dem rechtsextremen norwegischen Massenmörder Breivik. Und zieht den Vergleich im nächsten Satz zurück, mit der Bemerkung, er vergleiche B. natürlich nicht, aber da könne es hingehen mit B. Den Beleg, dass B. genauso redet wie Breivik, bleibt er natürlich schuldig.

Die Berliner Grünen wollen nicht zurückstehen: Der grüne Bezirksbürgermeister von Friedrichshain, Franz Schulz, behauptet von sich, anders als der „Demagoge“ und „Rassist“ B. (so nennt er ihn) alle Migrationsprobleme in seinem Bezirk gelöst zu haben. Seine Parteifreundin, MdB Deligöz, wirft B., vor keine Lösungen aufgezeigt zu haben. Mit diesem Satz entlarvt sie sich als Nichtleserin des Buches.

Ist es ein Wunder, dass in Berlin die Schulen und die S-Bahn marode sind, das Schulwesen an die Wand gefahren wird, 146 Millionen Hundehaufen jährlich lauern, die Hauptstadtflughafenplanung aus dem Ruder gelaufen ist, „Wegschauen als Zeichen von Toleranz gilt“ (Mechthild Küppers, FAZ), usw.usw., angesichts von Vertreter/-innen der politischen Elite, die mit Vorliebe auf Boten schlechter Nachrichten einprügeln?

„Be Berlin“ heißt der hinreißende Stadtmarketing-Slogan. Einige  Kommunalpolitiker/-innen in Berlin leben den Slogan.

Hilfe! Die Hilfeindustrie frisst die Etats

Seit ich mich für Schulbibliotheken einsetze, höre ich die Killerphrase: „Geld haben wir keines!“ Meine Antwort, dass Geld da sei, es nur falsch ausgegeben werde, überzeugt nicht. Nun weiß ich selbst, wie Haushaltsposten zustande kommen, wie restriktiv Haushaltsrecht sein kann. Und dann gibt es neben Schulbibliotheken noch so viel anderes Wünschenswerte.

Dennoch mache ich gerne Milchmädchenrechnungen auf. Heute wurde ich wieder fündig: Es geht um die „Hilfeindustrie“. Gemeint sind die Einrichtungen, Vereine, Gesellschaften, die im weitesten Sinne Gutes tun und dafür Spenden und Steuergelder erhalten. So tummeln sich in Afghanistan angeblich 3000 private Einrichtungen, die über riesige Beträge verfügen.

Der Berliner Tagesspiegel hatte am Wochenende eine Reportage über die Berliner Hilfeindustrie im Blatt, die Träger, die jedes Jahr ein halbe Milliarde ausgeben für Hilfen zur Erziehung, für die Unterstützung allein erziehender Mütter, einkommensschwacher Familien und Hartz IV-Empfänger.

Da ist zu lesen: Alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern von fünf verschiedenen Vätern. Zwei Sozialarbeiter verbringen jede Woche zehn Stunden in der Dreizimmerwohnung . Die Frau wehrte sich gegen die Familienhilfe. Das Jugendamt überging das. Die beiden Sozialarbeiter gehen mit den Kindern in den Jugendclub, begleiten die Mutter zum Jobcenter, betreuen die Kinder. Diese Hilfe läuft seit 18 Monaten und kostet bisher 36000 €.

Die Beschwichtigungsformel wird wohl lauten: Bedauerlicher Einzelfall und aus dem Zusammenhang gerissen. Es gibt noch mehrere Fälle dieser Art. Und es scheint System zu haben: Ein Träger, der eine Maßnahme ausarbeitet, darf sie selbst nicht durchführen. Man wechselt sich also ab: Ein Träger plant, ein anderer  erhält den Auftrag, das nächste Mal ist es umgekehrt. Das Jugendamt überweist nur noch das Geld.

Die Jugendämter werden personell knapp gehalten. Sie können selbst gar nicht mehr therapeutisch arbeiten, sie lagern die Fälle aus. Rechtsprechung und Öffentlichkeit sind schnell dabei, Jugendämter wegen Versäumnissen zu verurteilen, daher ist man großzügig geworden.

Wenn ein ausführender Sozialarbeiter vorschlägt, die Maßnahme zu beenden, wird er von seinem Träger darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung sinnvoller wäre, schließlich hänge der ganze Apparat des Trägers an solchen Maßnahmen.

Der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky, bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, hat sein Jugendamt schon öfter gerügt. Er sagt, dass es 40% des Haushalts in Anspruch nähme, dass alle anderen Abteilungen sparen müssten, weil das Jugendamt seine Ausgaben heillos überziehe. (Vom Bundeshaushalt fließen sogar 55% in die Sozialausgaben.)

Ich habe immer mit Jugend- und Sozialämtern zusammengearbeitet. Da kam Handfestes dabei heraus, Die Mitarbeiter waren sehr professionell, sie waren auch kostenbewusst. Berliner Zustände, wie sie in dem Artikel geschildert werden, habe ich nie kennengelernt.

Nun ist es brisant, Kritik an diesem Bereich zu äußern. Gefordert wird ja, dass (noch) mehr Geld ausgegeben wird, um Schulen besser zu machen, Migranten zu integrieren, bildungsfernen und einkommensschwachen Familien gesellschaftliche Teilhabe und Bildung zu ermöglichen. Zu sagen, dass eine Industrie entstanden ist, die sich ihre Lobby geschaffen hat und Kommunikationsmanager/-innen bezahlt, die die Medien füttert, ist politisch nicht korrekt.

Ein Vorschlag: Wie wäre es mit Evaluation? Alle Schulen in Deutschland werden regelmäßig  überprüft, stichprobenhaft übrigens auch von den Landesrechnungshöfen. (Das ist wie eine Betriebsprüfung des Finanzamts.) Warum mutet man das nicht den Jugendämtern und den privaten Einrichtungen der Hilfeindustrie zu?

Und jetzt zur Milchmädchenrechnung: 7,2 Mrd € erhält die Erziehungshilfeindustrie laut Herrn Buschkowsky jährlich in Deutschland (jährliche Steigerungsrate 10%). 1% sind 72 Mio. Blieben noch 7,128 Mrd. Das fällt kaum auf. 1%, 72 Mio €, für das Schulbibliothekswesen aber wären Manna in der Wüste. Das wären 2000 € Zuschuss für jede Schule oder 3 Vollzeit-Dipl. Bibl´innen bei jedem der ca. 430 staatlichen Schulträger. Vielleicht könnte man Geld für ein Feuerwerk abzweigen.

  • Der Tagesspiegel-Artikel von Barbara Schönherr
  • Ihr Interview mit Heinz Buschkowsky

Ganz daneben ist die Rechnung sicher nicht: Zu den Zielen, die z. B. Frau von der Leyen mit dem Bildungspaket ansteuert, Rot-Rot in Brandenburg mit dem zusätzlichen Abiturienten-Taschengeld könnten auch Schulbibliotheken beitragen: Hilfen beim Lernen, Angebote für die Freizeitbeschäftigung, Erweiterung des Wissens, Zugang zu Büchern und anderen Medien.

Nicht schaden würde es auch denen, die aus der Förderung herausfallen, aber die Schulbibliotheken auch benutzen dürften.