Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Frankfurter Landgerichts aufgehoben, in dem auf Antrag des geschädigten Verlages der UB Darmstadt untersagt wurde, Lehrbücher zu digitalisieren und physische und digitale Kopien zu erlauben. Eine Unterscheidung von Download eines Teils oder in toto scheint das Gericht nicht zu machen.
Wäre das nicht auch eine Idee für die Novellierung des hessischen GULE, des Gesetzes über Unterrichtsgeldfreiheit, Lernmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfen? Das Gesetz schreibt vor, dass der Staat die Schulbücher kostenlos zur Verfügung stellt. M. W. gibt das Land dafür 40 Millionen € jährlich aus.
(Eine Abschweifung sei erlaubt: Das Ministerium schätzt eine Schwundquote von 10% pro Schuljahr. Seit mit der auf Vorschlag der LAG Schulbibliotheken in Hessen e.V. eingeführten Software LITTERA auch die Ausleihe der Schulbücher organisiert wird, dürfte sich die Schwundquote mindestens halbiert haben. Als die LAG vorschlug, die so gesparten Millionen in Schulbibliotheken zu stecken, hielt man im KM leider gar nichts von der Idee. Man sei für Schulbibliotheken gar nicht zuständig. Dafür gäbe es doch den Kooperationsvertrag zur Zusammenarbeit von öffentlicher Bibliothek und Schulen.)
Zurück zum BGH-Urheberrechtsurteil: Man könnte analog zur TU Darmstadt verfahren: Die Digitalisate der in den Fächern und Jahrgangsstufen benötigten Lehrbücher werden auf den Landesbildungsserver gestellt. Von dort loaden die Schüler sich das Buch, zum privaten Gebrauch übrigens, down. Sollte für den Schulbereich weiterhin die Kopiereinschränkung „in Teilen“ gelten, holt man sich halt die jeweils benötigten Lehrbuchabschnitte oder lädt das Digitalisat hintereinander in zwei Teilen herunter.
Um eine Überlastung der Rechner des Bildungsservers zu vermeiden, könnten die LMF-Lehrkräfte der Schulen, rechtzeitig von Schuljahresbeginn die Katalogisate für ihre Schule downloaden. Da sie ja im Auftrag der einzelnen Schüler/-innen handeln, sehe ich keinen Verstoß gegen das Gebot der privaten Nutzung.
Vorteilhaft wäre auch, sozusagen als Kollateralnutzen, dass die LMF-Beauftragten der 2.000 hessischen Schulen nicht mehr im bisherigen Umfang vom Unterricht freigestellt werden müssten, was einen Zugewinn von ca. 1.000 unterrichtswirksamen Lehrerstunden (ca. 50 Lehrerstellen) zur Folge hätte.
Digitale Lesegeräte sind im wachsenden Umfang privat und in den Schulen vorhanden. Die neuesten Agenden sehen vor, jeden Schüler mit einem Tablet o. ä. auszustatten. Im Falle von Papierkopien entstünde auch kein Problem. Schüler/-innen können schon jetzt mehr oder weniger geschickt mit einer Flut an Papierkopien umgehen, da kommt es auf ein paar Blätter mehr nicht an. Man könnte sogar das Einsammeln von Kopiergeld in den Klassen – ein Ärgernis für Eltern, die an Lernmittelfreiheit glauben – einstellen und das Papier aus dem LMF-Etat bezahlen.
Schätzen wir einmal grob, dass bei diesem neuen Modell der Lernmittelfreiheit allenfalls 5 Millionen € für Original-Schulbücher ausgegeben werden müssen (bei der Variante, dass jede Schule ein Original-Exemplar der benötigten sChulbübher pro Fach und Schuljahr kaufen müsste, bevor es das Digitalisat benutzen darf) und weitere 5 Millionen für den höheren Bedarf an Kopierpapier ausgegeben werden müssen, sparte das Land immer noch 30 Millionen € jährlich.
Woran wäre noch zu denken? Wie viele Arbeitsplätze in Verlagen und Buchhandlungen gingen verloren? Die Branche hat doch sicher weniger als der Automobilbau, also volkswirtschaftlich überschaubar. Der Handel ist sowieso im Wandel. Überhaupt, wozu Verlage? Die Autoren von Schulbüchern sind i. d. R. Schul- und Universitätslehrer. Sie haben sichere Arbeitsplätze und schreiben ihre Werke mit Sicherheit während ihrer Arbeitszeit. Es wäre daher sozial und demokratisch usw., wenn sie ihr in der Dienstzeit entstandenes Werk, das sie sowieso digital verfasst haben – keine Digitalisierungskosten mehr! – gleich auf den Landesbildungsserver stellen würden.
Was passiert mit den eingesparten 30 Millionen? Für die Schulbibliotheken, wofür sonst?