Die Fürsorge für Mitarbeiter des früheren Ministeriums für Staatssicherheit ist enorm. Das begann schon mit einem Erlass Mielkes inmitten der Wirren der Friedlichen Revolution, in dem er befahl, die Wende für seine Mitarbeiter/innen vorzubereiten: Kaderakten vernichten, Lebensläufe glätten, die berufliche Zukunft finanziell absichern.
Das setzte sich fort: Innenminister Diestel in der Regierung de Maizière verlangte von Joachim Gauck, ca. 100 ehemalige MfSler in seiner Behörde unterzubringen. Dem kam der nicht gänzlich, aber überwiegend nach. Marianne Birthler hat jetzt den Ärger.
Gerade ist zu lesen, dass MdB Ramelow von der Partei „Die Linke“ – nicht auszuschließen, dass er in Thüringen Ministerpräsident wird – in seinem Berliner Büro eine frühere MfS-Offizierin beschäftigt. Es mag verständlich sein, dass man erst einmal für seine eigenen Leute sorgt. Aber bei dem Gedanken, dass demnächst in Erfurt jede Menge Posten in der Staatskanzlei und den Ministerien neu zu besetzen sind …
Wie viele arbeitslose MfSler gibt es denn noch? Wenn man davon absieht, dass eine MfS-Offizierswitwe nicht die dreifache Rente für ihren Mann, der als MfS-Oberst das Dreifache eines DDR-Durchschnittsgehaltes verdiente, gerichtlich durchsetzen konnte, sind die meisten gut im Staat des Klassenfeindes angekommen.
Herr Ramelow setzt bei der Rechtfertigung der Resozialisierungschance für seine Stasi-Mitarbeiterin auch ein weiteres Zeichen:
Zur „Wende“- Strategie der Nomenklatura gehörte, dass nicht die SED als Sündenbock geopfert wurde, auch nicht das MfS Stasi. Die wahren Übeltäter – und das ist der Leitsatz der öffentlichen DDR-Aufarbeitung im Osten geworden – waren die IMs.
Bodo Ramelow handelt ganz im Sinne dieser Strategie: Er ist ob der Kritik ganz überrascht. Seine Mitarbeiterin wäre doch nie IM gewesen, beteuert er.
Bleiben wir in Ramelows Bundesland: In einem Dorf in Thüringen hat der Bürgermeister – Er ist seit den Achtzigern für dieselbe Partei tätig – einen Gedenkstein für Wilhelm Pieck, den ersten DDR-Präsidenten, aufgestellt.
Statt der eingegangenen Adolf-Hitler-Linde hatte er schon Jahre zuvor an dieser Stelle eine Wilhelm-Pieck-Eiche gepflanzt.
Ich bin übrigens noch durch keine Siedlung, Stadt oder Dorf, gefahren, in dem es nicht eine „Straße des Friedens“, eine „Straße der Jugend“, der „Einheit“, der „Freundschaft“ gibt, eine „Thälmann-Str.“, eine „Maxim-Gorki-Schule“. In der Nähe von Jüterbog gibt es auch eine Leninstraße. André Brie, der als „Reformer“ gehandelte und gegen die Parteidisziplin verstoßende Alt-Linke will auch eine entdeckt haben.
Manchmal braucht es die Umbenennung nicht, weil eine neue Bedeutung die alte überlagert. In Potsdam gibt es einen „Platz der Einheit“. Die Einen erinnert er an die Einheit der Arbeiterklasse, die Vereinigung von KPD und SPD. Die Touristen denken zuerst an die Vereinigung von 1990, die manche hier ja auch Zwangsvereinigung nennen. Die Potsdamer „Friedrich-Ebert-Straße“ ist nach einem Oberbürgermeister von Ostberlin benannt, dem Sohn des Reichspräsidenten.
Unverständlich sind die vielen Thomas-Müntzer-Straßen. Wer sich mit Müntzer etwas näher befasst, wird unschwer schließen, dass er, hätte er in der DDR gelebt, in Hohenschönhausen gelandet wäre. Der missachtete Luther hätte in der DDR wohl Oberkirchenrat und MfS-Ordensträger werden können.
In Erfurt soll es eine „Straße des Sozialismus“ gegeben haben. Sie war eine Sackgasse.
Der Ort Marxwalde, neben dem Regierungsflugplatz der SED, wurde wieder in Neuhardenberg (früher: Neu-Hardenberg) umbenannt. Die Dorfstraße heißt „Karl-Marx-Allee“ und das sollte laut Gemeinderat auch so bleiben. Als die Sparkassenstiftung das Schloss der Hardenbergs mit Millionenaufwand renovierte, scheiterte sie mit dem Wunsch der Umbenennung der Straße, an der das Schloss liegt. Da man auf die Arbeitsplätze des zukünftigen Tagungs- und Veranstaltungszentrums nicht verzichten wollte, kam es zu einem Kompromiss: An der Stelle, an der das Schloss und die Schlosskirche stehen, heißt die „Karl-Marx-Allee“ jetzt „Schinkelplatz“. Wenn Karl Marx das noch erlebt hätte! 1851 sagte er zu Engels, von dessen Geld er viel verbrauchte: „Die kommunistische Partei ist eine Bande von Eseln, die auf uns schwört, weil sie uns für ihresgleichen hält.“
Die SPD Brandenburgs hat vor der hier vorherrschenden Erinnerungskultur schon kapituliert. In ihrem Regierungsprogramm 2009 – 2013 steht nichts mehr von Aufarbeitung der DDR-Geschichte.
Dabei sind schon kleine Schritte sinnvoll: In Potsdam soll jetzt eine Straße nach einem Potsdamer Nachkriegsbürgermeister benannt werden, der nach Moskau gebracht und dort erschossen wurde.
Eine „Straße der Friedlichen Revolution“ gibt es in Potsdam bisher nicht.
Bei den Infosäulen, die für das Gedenkjahr 1989 in der Stadt aufgestellt wurden, hat man gleich mitbeschlossen, dass sie anschließend wieder entfernt werden.
In Petzow bei Potsdam steht ein SED-Gedenkstein für einen von einem schießwütigen Gutsbesitzer 1943 erschossenen Ingenieur Mehlhemmer, der für die Amerikaner gegen die Nazis nachrichtendienstlich arbeitete und dafür kurzzeitig im KZ war. Dass seine Witwe von IMs, dem Lehrer und anderen Dorfbewohnern Petzows, denunziert wurde, weil sie die Freundschaft zu dem Amerikaner, mit dem ihr Mann während der Nazizeit kooperiert hatte, aufrecht erhielt und deswegen von der SED zu Lagerhaft in Sibirien verurteilt wurde, stand nicht da. Seit diesem Jahr steht eine Tafel neben dem SED-Gedenkstein, der auf das Schicksal der Ehefrau hinweist.
Nachtrag 6.7.11: Im Parlament der Stadt Werdau/Sachsen gibt es keine Mehrheit für ein Denkmal zur deutschen Einheit. „Der 3. 10 als Feiertag reicht“, sagt ein FDP-Stadtrat laut FAZ. Den Zuschuss von 20.000 € von der Gedenkstättenstiftung gibt die Stadt zurück.