Lesetipp: „drüben“ von Simon Schwartz

Simon Schwartz, drüben, 14,95 €, 112 Seiten, avant-Verlag 978-3939080374

"drüben" von Simon SchwartzDie Bilder dieser graphic novel, wie anspruchsvolle Comics heute auf Deutsch heißen, sind eindringlich. Sie wirken auf mich noch eindringlicher als die Schwarzweißfotos von der untergehenden DDR, die jetzt in vielen Ausstellungen zu sehen sind.

Da gibt es die Zeichnung vom Todesstreifen an der Berliner Mauer, auf den ersten Blick an eine Modellbahnlandschaft erinnernd, dann aber kommt die Assoziation von Gewalt, Schrecken und Angst. Der Grenzübergang Friedrichstraße aus der Perspektive eines Fünfjährigen. Die beiden Seiten ersetzen eine ganze TV-Dokumentation.

Der Zeichner und Autor Simon Schwartz erzählt hier die Geschichte seiner Eltern, eines Studentenehepaares, das lange um die Entscheidung ringt, die DDR zu verlassen. Das führt zum Konflikt mit den stramm kommunistischen Eltern des Vaters von Simon. Als Lehrbeauftragter einer Hochschule muss er die Rede des Parteisekretärs zum Einmarsch der sowjetischen Brüder in Afghanistan verlesen. Als er daraufhin einen Ausreiseantrag stellt, wird er im Auditorium öffentlich aus der Partei und der Hochschule ausgeschlossen. Auch die Zeichnungen von dieser Sitzung ersetzen dicke Bücher.

Schwartz gelingt es, mit wenigen Strichen einen Raum, eine Situation, ein Gesicht sprechen zu lassen. Und der Leser und Betrachter wird nicht erschlagen von einer Überfülle bunter Bilder, sondern kann sich seine eigenen Gedanken machen.

All dies ist auch ein Stück normaler DDR-Alltag, wie er in den Alltagskulturmuseen, die in Ostdeutschland überall existieren, nur selten gezeigt wird. Die Unfreiheit, die Bespitzelung treiben selbst Gutwillige zum Ausreiseantrag. Das wird in dieser schwarz-weißen Bildersprache hervorragend umgesetzt.

Es dürfte sich lohnen, diesen Band Jugendlichen zu geben. Auch ohne viel Sachwissen wird mit diesem Medium deutlich, vielleicht sogar deutlicher als mit Arbeitsblättern und Videoclips, was es bedeutete, in diesem Staat zu leben.

„drüben“ ist eine gut geeignete Ergänzung der LAG-Medienkiste „Ampelmännchen und Todesschüsse und wird in mehreren Exemplaren aufgenommen.

Der avant-Verlag stellt auf seine Website ein pdf mit „Bonusseiten“, einem Interview mit dem Autor und Zeichnungen aus dem Buch.

2 Gedanken zu „Lesetipp: „drüben“ von Simon Schwartz

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