Ärger über Organisationsänderungen in der Berliner Zentral- und Landesbibliothek

Die Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) gilt als größte öffentliche Bibliothek in Deutschland. Sie ist auf zwei Gebäude verteilt, was auf die Teilung Berlins bis 1989 zurückgeht. Ein repräsentativer Neubau auf dem ehemaligen Tempelhofer Flugfeld, für den schon Entwürfe vorlagen, ist nicht mehr möglich, da ein Bürgerentscheid die Randbebauung mit Wohnungen und der ZLB untersagte.

Jetzt erlebt die ZLB den nächsten Schock. Ein Gutachten renommierter Bibliothekswissenschaftler enthält brisante Vorschläge. 100 der 300 ZLB-Mitarbeiter sind mit der Einarbeitung der jährlich 70.000 Medien beschäftigt: lektorieren, bestellen, katalogisieren.

An deutschen öffentlichen Bibliotheken sind ca. 70% der bibliotheksfachlichen Tätigkeiten an externe Dienstleister ausgelagert, an der ZLB sind es 5%. Daher schlagen die Gutachter vor, bei der ekz eine Standing Order zu abonnieren und somit Katalogdaten einfach zu übernehmen und das Lektorats-, Bestell- und Katalogisierungspersonal drastisch zu verkleinern.

So könne man mehr Mitarbeiter für die Begegnung mit den Nutzern, etwa für digitale Angebote und längere Öffnungszeiten, gewinnen.

Der Ärger über die geplante Reform ist beim ZLB-Personal, aber auch bei Bibliotheksfreunden groß. Man habe ein besonderes Profil und nicht umsonst eine sehr hohe Besucher- und Ausleihfrequenz. Das wäre mit einem ekz-Angebot von der Stange nicht zu leisten.

Die bibliotheksaffinen Berliner Wutbürger/-innen kommen mit der Nazikeule: Sie fühlen sich an die Bücherverbrennung 1933 erinnert. Ich hatte schon den Stift gezückt, um die Petition zu unterschreiben, da las ich das mit dem Faschismus.

Die genannten Zahlen sprechen Bände. Es hat mich erstaunt, dass Bibliotheken heute 70% ihrer Arbeit auslagern, die ZLB aber 95% selbst erledigt und dafür ein Drittel der Mitarbeiter einsetzt.

Ganz unbekannt ist mir das Problem nicht. In den hessischen Barfuß-Schulbibliotheken wurde und wird vielfach noch die allermeiste Zeit damit verbracht, Bücher auszusuchen, einzuarbeiten: foliieren, Signaturschild und Fristzettel kleben, Karteikärtchen schreiben oder die Buchdaten in den Computer eingeben, über Schlagwörter und die richtige Signaturgruppe nachdenken. Seit es LITTERA und Fremddatenübernahme gibt, sind bibliotheksorganisatorische Tätigkeiten zusammengeschrumpft.

Verständnis habe ich für die Kritik an der Standing Order der ekz. Wir hatten Probleme mit den Vorschlägen des ekz-Lektorats „Empfohlen für Schulbibliotheken“. Die Empfehlung entsteht, so habe ich mir sagen lassen, ohne „Autopsie“, d. h. der ekz-Lektor liest das Buch nicht, sondern empfiehlt aufgrund der Verlagsangaben, z. B. Altersstufe, Waschzettel, Titel und Untertitel. Oft haben wir Barfuß-Schulbibliothekare festgestellt, dass KJL, die von der ekz empfohlen bzw. für die Standing Order KJL ausgewählt wurde, bei uns Ladenhüter wurde oder – im Sachbuchbereich – zu schwierig für Kinder und Jugendliche war.

Aber es sollen ja weiterhin jährlich 6.000 Medien vom hauseigenen Lektorat ausgewählt werden dürfen.

(Nach Lektüre eines Berichts in der PNN)

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