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Staatsschule oder Schulkonzern? Eine schleichende Revolution

Das digitale Geschnatter von pädagogischen Revolutionen, die mit jeder neuen Software oder jedem neuen Gerät, sei es Twitter, Pinterest, iPhone oder Tablet, fällig wären, ist wenig mehr als ein Wetterleuchten am Horizont. Die wirkliche Revolution findet anderswo statt.

Medienkonzerne und Unternehmensberatungen haben Größeres im Blick: den Bildungsmarkt. In USA ist das fast eine halbe Billion € im Jahr. Die weltweit verschuldeten Staaten und Gebietskörperschaften suchen nach Wegen, Ausgaben zu kürzen. Sie sind nicht abgeneigt, ihre Schulen zu privatisieren. Schon jetzt ist allein der durch PISA entstandene Bildungsmarkt beträchtlich. Mit der Diagnostik und den Übungsmaterialien, mit denen man sich auf die Tests vorbereitet, werden Milliarden umgesetzt. Mit kompetenzorientierten Curricula und Prüfungen, wie sie die OECD durchgesetzt hat, wird der schulische Content betriebswirtschaftlich erschlossen. Schulerfolg ist messbar, das Datenmaterial, das pro Schülerlaufbahn entsteht, kann für eine exakte Diagnose und Therapie (Förderplan) genutzt werden. In den Medienkonzernen entsteht die Software, mit der wie bei einem Navi präzise gesagt werden kann, in welcher Zeit welches Kompetenzniveau in, sagen wir, Chinesisch oder Chemie erreicht werden wird. Die Apps, die enhanced E-Books, die Blended-Learning-Programme sind da,  mindestens in der Beta-Version.

Nachtrag: Wireless Generation bietet Softwareprogramme und Diagnosetools für Schulen, Basisversionen kostenlos. Der Bundesstaat New York lässt die Firma die standardisierten Tests durchführen. Die Firma gehört Robert Murdoch. Ins Spiel gebracht wurde sie von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung.

Schule wird so planbar wie eine Autoinspektion. Der Meister fährt es auf die Hebebühne, steigt in die Grube, tippt in den Rechner und druckt den Diagnosebogen aus. Da steht, was bis wann erledigt ist und was es kostet.

Anders als Schule. Da wird dauernd bei den Eltern Geld eingesammelt, da fallen Stunden aus, ein Elternabend muss besucht werden, die Schulbücher sind alt und unhygienisch. Die Werkstatt ruft an, ob ich zufrieden bin. Die Schule hat das bei meinen Kindern nie gemacht. Alles ist viel komplizierter als beim Auto.

Schule ist inzwischen betriebswirtschaftlich ziemlich gut kalkulierbar: Businessplan, Gewinn-Verlust-Rechnung, Break-Even-Point, Target-Costing, Controlling. Die amerikanischen Schulfirmen, die britischen Prüfungsfirmen zeigen es. Auch Teile ließen sich outsourcen: Mathematikunterricht, Sprachunterrricht, Förderung behinderter Kinder. Amerikanische Schulfirmen versuchen u. a. Lehrer einzusparen und durch Selbstlernprogramme zu ersetzen. Sie betonen, dass sie zwar weniger Lehrer beschäftigen, die aber dafür besser bezahlen als die Staatsschulen ihr Personal. Gegen Kritik sind sie gewappnet: Es gäbe einfachere Branchen, um Geld zu verdienen.

Vgl. Blog „Fluency 21“