Bücher in Bananenkisten: Peter Sodanns reaktionäres Projekt

Der Kabarettist Peter Sodann, ein verkniffener Ostalgiker, Bundespräsidentschaftskandidat der Linkspartei, träumt seit Jahren von einer DDR-Bibliothek. Er wartet darauf, dass ihm jemand Räume zur Verfügung stellt (vorläufig letzte, 5. Station: Taucha Staucha), Bücher schenkt, Bücher auspackt und katalogisiert. „Junge Leute“, begründet Sodann sein Tun, „wissen nichts mehr über die DDR. Das wäre ja auch nicht weiter schlimm, aber von Marx und den anderen sollten sie doch etwas wissen.“ (taz, 28.2.2009)

Nachtrag: Ich wusste gar nicht, dass es auf youtube so viele Sodann-Clips gibt. Bei diesem geht es um die Rettung von in der DDR verlegten Klopstock, Goethes und Schillers, jedenfalls im Intro.

Möglich, dass er demnächst auch die Westverlage um Unterstützung anbettelt, die von der SED über den Tisch gezogen wurden. Die Kommunisten haben nämlich von Westbüchern, die sie auflegen durften, heimlich mehr gedruckt und verkauft.

Alles Lesenswerte aus der DDR ist auch beim „Klassenfeind“ in westdeutschen Verlagen erschienen. Sodanns Bücher können in den (westlichen) Bananenkartons bleiben.

Zur DDR-Literatur schreiben Uwe Wittstock und Tilman Krause schon 2009 alles Nötige.

Nicht zu vergessen die Bände, die Ines Geipel herausgibt, mit Arbeiten von Schriftsteller/-innen, die die SED bis 1989 zersetzte oder einsperrte.

Zur Zensur im „Leseland DDR“: Barck/Lokatis.

Über Sodanns reaktionäres Projekt wird viel berichtet. Das Projekt von Ines Geipel, die „Verschwiegene Bibliothek“ wird aus finanziellen Gründen nicht weitergeführt.

17 Gedanken zu „Bücher in Bananenkisten: Peter Sodanns reaktionäres Projekt

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  3. Peter Jobmann

    Nirgendwo sprach ich Ihnen die eigene Meinung ab – ich sprach auch nirgendwo gegen die Richtigkeit der Untersuchungen Prof. Locatis zur DDR-Literatur – ich gab nur einen Hinweis auf einen Punkt der meiner Ansicht nach nicht in das von Ihnen vermittelte Bild passte und hoffte auf eine Reaktion diesbezüglich

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  4. Susanne Drauz

    Hier bedient sich aber Hein bei den Juristen, denn so ist die Zeugenbelehrung schon seit dem (mindestens) 19. Jhd. „Verschweigen Sie dabei nichts, aber fügen Sie auch nichts hinzu.“ Wir bestrafen das auch 🙂

    Aber die Erschließungsforderungen sind doch völlig unabhängig von der Sammelwut von Herrn Sodann. Diese Forderungen denken in Museumsräumen und nicht in web 2.0 Möglichkeiten. Heute sprechen wir über Tagging durch Nutzer usw. – ich orientiere mich bei meinen Überlegungen an LibraryThing http://www.librarything.de/ 🙂 Mit einer körperlichen Aufstellung hat das erstmal wenig zu tun – da können die Dinger in Salzbergwerken oder Bananenkisten stecken.

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    1. Basedow1764 Autor

      Meine Anregung ist schon körperlicher Art und keine Erschließungsforderung. Sodann sammelt nur von der SED mit der venia legendi versehene Druckerzeugnisse. Wenigstens wurde mir das von einem Spender mitgeteilt, dem ich erzählte, ich würde ein Exemplar „Stasi auf dem Schulhof“ spenden wollen. (Anm.: Nicht in der DDR gedruckt.) Das habe ich zugebenermaßen nicht mehr überprüft. Denn wenn ich mir Sodanns Tiraden ansehe, z. B. hier: http://www.stern.de/politik/deutschland/linkspartei-kandidat-was-sodann-ueber-ypsilantis-debakel-denkt-644487.html
      geht es ihm um Provokation und Wessi-Bashing. Die Aufarbeitung des „Leselandes“ DDR passiert woanders.

    2. Peter Jobmann

      Das nun ausgerechnet der von Ihnen angeführte Prof. Locatis Herrn Sodann unterstützt – was sagt Ihnen das? Offensichtlich ist Prof. Locatis verblendet von der ganzen reaktionären Art des Projekts, dass er trotz seines Wissens und seiner Publikationen seit sehr langer Zeit Interesse und Unterstützung für das Projekt des Herrn Sodann zeigt.

      Was die Thesen von Sodann angeht, nun ja, sie sind provokant und in Teilen sicherlich Käse. Wo aber ein Bundespräsidentenkandidat Sodann mehr kabaretistisch angehaucht war als die Kandidatur eines Heern Wulf oder Köhler muss man mir erstmal erklären. Ich habe tatsächlich Sympathien für Sätze aus dem Mund von politisch engagierten Personen die über 30 Jahre gelernte Floskeln hinausgehen. Wie Herr Wulf heute spricht, so spricht schon ein Großteil der Nachwuchsleute mit 14 Jahren – in quasi jeder Partei. Gruselig, inhaltsleer und an dieser Stelle darf man sich Sorgen um einen schleichenden Abschied von gewissen demokratischen Strukturen machen. Man darf an Prozessen zweifeln, auch an deren Legitimation bzw. der Frage wie demokratisch es wirklich immer zugeht – niemand zweifelt dabei den Sinn der Demokratie an.

      Ich befürchte aber – mein Eindruck aus der „Diskussion“ hier in den Kommentaren, Sie folgen dem Weg den Sie schon bei der Diskussion um Sarrazin eingeschlagen sind: ich nehme nur diejenigen Teile die mir passen und über die restlichen Inhalte argumentiere ich nicht – das finde ich schade und unnötig

    3. Basedow1764 Autor

      Da bin ich aber am Boden zerstört. Jetzt darf ich wohl nicht anderer Meinung sein? (Deswegen hat er mit seinen Untersuchungen zur Zensur der DDR-Literatur nicht Unrecht. Was mir bei einem Vortrag von ihm in Potsdam auffiel, war, dass es gewisse Spannungen zwischen ihm und dem Potsdamer Gastgeber gab; Ich weiß nicht mehr, wer das war.)

  5. Basedow1764 Autor

    Danke für die Nachhilfe in juristischem Denken.
    Wenn also alle, die sich hier mehr oder weniger diffenziert äußern, bekannte Auslegungsregeln beachteten, rännte ich mit diesem Vorschlag offene Türen ein:
    Ein Raum in Sodanns DDR-Bibliothek zeigt Literatur der Schriftsteller/-innen, die wegen ihrer Texte im Zuchthaus saßen, ein Raum zeigt Zensurprotokolle (Äußerst lesenswert!), ein weiterer verbotene Literatur (Wenn Höpcke heute dazu Stellung nimmt, muss man aufpassen. Zum Lobe der liberalen Zensurpraxis rühmt er auch schon mal ein Buch, das nach 30 Jahren Zensur erstmals gelesen werden durfte.)

    Wenn ich jetzt richtig schließe, kann ich nicht ausschließen, dass Herr Sodann meine Desiderata schon längst berücksichtigt hat, auch wenn er es nicht erwähnt. Oder?
    Ich hielt es bisher mit Christoph Hein, der zur Ostalgie den Satz sagt: „Weglassen ist eine eine einfache Form der Lüge.“
    Hein ist kein Jurist.

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  6. ente

    was ist an dem projekt reaktionär? nein besser gefragt: was ist für sie reaktionär?

    @andrea: danke für diese inhaltsreiche antwort. leider tragen seine beträge oft scheuklappen, so wie man das oft bei hassern einer sache beobachten kann (egal worum es geht). dazu fällt mir nur ein: „meine meinung steht fest, verwirren sie mich also bitte nicht mit fakten und tatsachen.“ wobei ich jetzt nicht behaupten will, daß alles falsch ist, was er schreibt. aber es gilt auch, was lesekater schon geschrieben hat: der ton macht die musik …

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    1. ente

      gut, sie haben meine zweite frage beantwortet, aber nicht, warum das projekt von p.s. reaktionär ist. für mich ist bücher wegwerfen (weil sie in einem nicht genehmen system gedruckt wurden) nicht so weit weg von der bücherverbrennung. und es wurden nach der wende auch ganz normale bücher aus bibliotheken in müllcontainer „entsorgt“. diese z. t. haßerfüllte entsorgung sorgte z. b. in halle-neustadt dafür, daß historisches archivmaterial aus passendorf im müll landete. und warum? weil es in einer schule gelagert wurde. mit christa wolf schmückt man sich gerne – wie kommt das nur? dabei ist sie doch auch „eine von denen“ …
      im übrigen können wir beide nicht in die zukunft schauen, insofern wird sich bei vielen dingen zeigen, ob bestimmte anschauungen nicht mehr zeitgemäß sind. ich halte weiterhin daran fest, daß wir bisher keine wirklich gerechte gesellschaftsordnung haben – leider werde ich alleine dafür von manchem meiner mitbürger gescholten, denn mehr gerechtigkeit würde ja den eigenen luxus, die banane aus südamerika (die im kilo billiger ist als der apfel „von nebenan“), die jährlichen flugreisen usw. usf. einschränken. dabei möchte ich meine gedanken der gerechtigkeit nicht nur auf finanzielle aspekte beschränkt verstanden wissen. vorgestern wurde im deutschlandradio der bundesfreiwilligendienst diskutiert. eine der traurigen antworten auf eine hörerfrage war „zusammenfassend gesagt: bundesfreiliggendienst kann nur leisten, wer es sich leisten kann“ (weil man davon nicht leben kann).

  7. lesekater

    Ich verfolge Ihren Weblog schon seit einiger Zeit und fand die Beiträge fast immer sehr gut und hilfreich.
    Doch dieses Mal sind Sie eindeutig zu weit gegangen. Man kann zu zu Peter Sodann´s Vorhaben verschiedener Meinung sein, doch die Wahl der Worte und der angeschlagene Ton sollten auf dem Teppich bleiben. Sicher spielt in Ihrem Ausdruck Enttäuschung über ein gescheitertes früheres Projekt mit, aber dafür können Sie nicht Herrn Sodann und seine Initiative verantwortlich machen.
    Sein Engagement ist bewunderns- und unterstützenswert. Ich hoffe, dass das Projekt DDR-Bibliothek länger Bestand haben wird als die untergegangene Republik, die deren Namen trug.

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  8. Andrea Nikolaizig

    … ist wohl war, bin beständig aufs Neue erschrocken über die Zensur in der DDR und wütend, denn ich muss meinen privaten Buchbestand zur Hälfte erneuern .. von Aitmatow bis Kästner usw… insofern kann man Herrn Sodann nur dankbar sein, dass er den verbrecherrischen Staat mit einer kompletten DDR-Bibliothek in Stauche (bei Riesa, nicht Taucha) vorführt… auch die politisch infiltrierten Schulbücher sind zu sehen…. Herr Sodann ist kein Kaberettist (oder war die Bezeichnung Ironie?).. u.a. war er vor seiner Karriere als West-Anbettler viele Jahre Intendant des Neuen Theater Halle… über den Sinn der DDR-Bibliothek lässt sich streiten… dann bitte aber bitte ohne Ost-Hass… ich finde es bezeichnend, dass sich DER Zensur-Experte Prof. Lokatis (aus dem Westen an die Uni Leipzig berufen) für die Bibliothek engagiert… vielleicht gibts auch noch eine andere Seite der Dinge (hier kommt wohl meine dialektische Sichtweise durch)? … sollte man bedenken, wann und wie sie entstand? Nämlich als Bibliothekare in den Betrieben nach der Friedlichen Revolution nicht ertragen konnten, dass Tonnen von Büchern in Container landeten und im Neuen Theater Halle „Asyl“ fanden… Hatte das Verlagsgeschäft beider deutscher Staaten zwei Seiten, nicht nur die der diebischen DDR? Warum sonst habe ich nach 1990 erlebt, dass namhafte bundesdeutsche Verlage ganz unangebettelt Schecks für die Bibliothek überreichten und die Lizenzgeschäfte mit den DDR-Verlagen lobten? Sie hätten es nicht tun müssen… Andrea Nikolaizig

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    1. Basedow1764 Autor

      Herr Sodann leitete ein Studentenkabarett und machte mit Norbert Blüm ein Programm, dass ich zwar nicht als Kabarett erkannte, das er aber so nannte. Seine Äußerungen über Demokratie und Westdeutschland sowie seine Bundespräsidentenkandidatur sehe ich als Kabarett an. (Gysi hat den Unterhaltungswert des Kandidaten klar erkannt.) Oder sehen Sie die Einlassungen von Peter Ehrlicher (Wie er sich in einem Interview einmal nannte) als ernsthafte Diskussionsbeiträge?
      Als seinerzeit DDR-Verlagsproduktion auf Schuttabladeplätze kam, habe ich versucht, einen Transport für hessische Schulen zu organisieren und auch mit dem Pfarrer, der sich damals kümmerte, Kontakt aufgenommen. Das wurde nichts. Dieser ressentimentgeladene, eitle Schauspieler desavouiert die Sache.

      Da spanne ich halt den Regenschirm auf, wundere mich über Ihre große Sympathie für Ehrlicher/Sodann und die nicht-vorhandene für Ines Geipel.

    2. Susanne Drauz

      Das verstehe ich jetzt nicht, wie aus dem Beitrag auf eine nicht-vorhandene Sympathie für Ines Geipel geschlossen werden kann. Dieser Schluß ist nach allen mir bekannten Auslegungsregeln meines Erachtens nicht möglich. Außer man hält „wer nicht dafür ist, ist dagegen“ für eine zulässige Auslegungsregel – aber ich denke, wir sind uns einig, dass diese Regel nicht zum Einsatz kommen sollte. Sonst hat man einen Zirkelschluß auf mehreren Ebenen, oder?

    3. Basedow1764 Autor

      Geht es nicht eine Nummer kleiner, liebe Frau Nikolaizig? DDR-Hass? Sie haben mich ja schon einmal rüde abgefertigt, weil Sie einen Beitrag von mir nicht richtig gelesen hatten. So viel Emotion ist die DDR wahrlich nicht wert.

      Ich muss zugeben, dass das manchmal nicht einfach ist, wenn ich meinen Freunden zuhöre, die in diesem Staat eingesperrt wurden und heute erleben, dass die Täter von damals, zumindest in Brandenburg, wieder die Nase hochtragen.
      Da ist Sodann aber eine Fußnote. Wenn Sie seine Einlassungen schätzen, ist Ihnen das unbenommen. Aber warum hasse ich die DDR, wenn ich Sodann nicht besonders schätze und die Literaturpolitik der SED auch nicht?

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