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Wie gegen TTIP gehetzt wird

Es geht einmal mehr um Informationskompetenz: In unseren Supermärkten wird abgepackter, gechlorter Salat verkauft. Gestorben ist daran noch niemand und beschwert hat sich meines Wissens auch niemand. Das US-amerikanische „Chlorhuhn“ dagegen wird hierzulande von Anti-TTIP-Aktivist/-innen verteufelt. Salmonellenerkrankungen nimmt man in Deutschland in Kauf, in USA nicht.

Die internationalen Schiedsgerichte sind eine deutsche Erfindung und werden weltweit geschätzt. US-amerikanische Firmen klagen vergleichsweise selten vor diesen Gerichten.

Bemerkenswert: Der Wirtschaftsminister Gabriel rückt von TTIP ab. Dabei müssten gerade ihm die Probleme deutscher Firmen in den USA am Herzen liegen: Visa-Probleme für deutsche Mitarbeiter in den USa, für US-amerikanische in Deutschland, doppelte Zulassungs- und Prüfverfahren für Produkte. Bessere Exportchancen für kleinere und spezialisierte landwirtschaftliche Produzenten von Käse, Wein, Spargel.

Herzensthema in Deutschland dagegen: Verbraucherschutz- und Umweltstandards würden gesenkt werden, verkünden die Aktivist_innen. Was sie in ihrem Eifer übersehen: In USA zahlen betrügerische Banken höhere Geldstrafen als hier, den Abgasskandal haben amerikanische Behörden aufgedeckt. Den jungen Eiferer/-innen ist Ralph Nader sicher unbekannt , der Sicherheitstests bei Autos durchführte („Unsafe at any speed“), als man hierzulande noch gar nicht wusste, dass man das machen kann.

Wie kommen die linken Wutbürger*innen darauf, dass durch TTIP deutsche Opernhäuser und Progtammkinos schließen müssten?

Jetzt wird von einer Aktion „Netzfrauen“ gar die Schule als TTIP-Opfer entdeckt. Weiterlesen

Informationskompetenz: TTIP

Der EU wurde vorgeworfen, die TTIP-Verhandlungen, das Freihandelsabkommen mit den USA, wären intransparent, da die Verhandlungspapiere geheim wären. Freihandelsgegner von attac, blockupy und campact warnen vor niedrigeren Umwelt- und Verbraucherschutznormen und der Abtretung der Legislative an US-Konzerne, vor der endgültigen Dominanz der US-Unterhaltungsindistrie. Man erinnert sich: das berühmte Chlorhuhn. Dabei tötet Chlor Keime zuverlässig. US-Amerikaner wundern sich darüber, dass Salat in Deutschland gechlort wird, bevor er abgepackt wird und daran niemand Anstoß nimmt. Lebensmittelskandale sind in USA sehr viel geringer als hierzulande.

1,7 Millionen Bürger/-innen haben die Petition „STOP TTIP“ bisher unterschrieben. Die ebenfalls in der linken Kritik stehenden übernationalen Gerichte, die Konzerne gegen ihren Interessen widersprechende nachträgliche Änderungen in einer nationalen Gesetzgebung anrufen könnten, sind eine deutsche Erfindung und werden von der deutschen Wirtschaft geschätzt, weil sie damit Rechtssicherheit gegenüber Staaten hat, in denen man der Rechtsprechung nicht über den Weg traut. Russland unterwirft sich beispielsweise dieser Rechtsprechung. Klagerecht gibt es auf diesem Weg nur dann, wenn ausländische Firmen gegenüber inländischen benachteiligt werden. Es sind übrigens weniger die großen Konzerne, für die die Investitionsschutzabkommen mit ihren Gerichten wichtig sind, sondern eher mittelständische Betriebe. Große Konzerne können ihre Interessen meist auch anders geltend machen. Weltweit gibt es 3.000 solcher Abkommen. Deutschland hat zzt 130 solcher Abkommen. Was ich nicht verstehe, ist, dass es diese Investitionsschutzabkommen seit ca. 60 Jahren gibt und jetzt wäre das ein „neoliberales“ Projekt böser konzerne

Es gibt seit 60 Jahren solche, meist bilateralen Abkommen. In etwa 25% der Fälle gewinnen Unternehmen vor diesen Gerichten.

Nun hat die EU seit Januar 2015 ihre Verhandlungsdokumente im Internet veröffentlicht. Wer jetzt glaubt, die EU-Server würden unter der Last der Aufrufe zusammenbrechen, wird enttäuscht. Die deutschsprachige Seite mit den EU-Vorschlägen zum Kulturbereich wurde in drei Monaten ganze 50mal aufgerufen! Tier- und Pflanzenschutz (Chlorhuhn!) wurde 5.000mal aufgerufen. Auch das beschämend wenig bei 1,7 Millionen Menschen, die TTIP stoppen wollen, aber sich beklagen, dass sie nicht wissen, was in den Dokumenten steht. Die englischsprachige EU-Übersichtsseite über TTIP hat 100.000 Klicks, die deutschsprachige 5.000. Leider sind die USA zur Offenlegung noch nicht bereit und auch die bisher ausgehandelten Passagen bleiben unveröffentlicht.

Andererseits ist zu fragen, was diese Echtzeit-Publizität für einen Nutzen haben soll. Macht es Sinn, wenn die Öffentlichkeit die Streichung, Ergänzung, Umformulierung jedes Halbsatzes live mitverfolgt? Wenn das Freihandelsabkommen vorliegt, so dachte ich bisher, muss es von den europäischen Körperschaften verabschiedet, abgelehnt oder verändert werden. Da habe ich anscheinend antiquierte Vorstellungen von einem Gesetzgebungsprozess.

Unterstützen würde ich den Vorschlag, Kultur außen vor zu lassen.

Soll wieder einmal die Welt am deutschen Wesen genesen? In den anderen EU-Staaten wird das TTIP überwiegend positiv gesehen. Sind die alle doof und nur die antikapitalistischen und antiamerikanischen Deutschen haben den Durchblick?

(nach Berichten in mehreren Pressemedien)

Update 27.4.15: Eine bemerkenswerte Rechnung macht der Unternehmensberater Hermann Simon in der heutigen FAZ (p 16) auf: Wenn man den Wert deutscher Exporte in andere Länder auf die Einwohner umrechne, liege die Schweiz vorn: 7.770 $ pro Einwohner. Danach folgten Frankreich, Polen und die Niederlande. In den USA sind es 378 Dollar! Ähnlich sehe es aus, wenn man den Anteil der deutschen Importe am Bruttosozialprodukt der Länder betrachte, Er liegt bei den europäischen Nachbarländern bei ca. 10% Anteil am BSP, in den USA sind es 0,7 %. Auch in China ist der Anteil höher.

Daraus könne man ersehen, dass das Freihandelsabkommen ein erhebliches Exportwachstum bringen könnte. Bisher sei der Eintritt in den amerikanischen Markt vielen Firmen zu teuer, z. B. wegen der Kosten durch notwendige zusätzliche Genehmigungen. (Es gäbe aber auch andere Hürden, die das deutsche Management allein zu verantworten hätte.) Aber das ist wohl eine einseitige Sicht. Der Vorwurf steht ja auch im Raum: TTIP würde den Firmeninhabern nützen, aber nicht dem Volk.