Multimediale Schulbibliotheken ja, aber bitte kein neues Schulfach!

Seit über einem Jahr tagt eine Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ und sammelt in ihrem Forum, ihrem Blog und in Gutachten Meinungen und Vorschläge zu den Komplexen Urheberrecht, Datenschutz, Jugendschutz, Medienkompetenz, digitale Gesellschaft, Netzneutralität. Im Mai will die Arbeitsgruppe „Medienkompetenz“ einen Zwischenbericht veröffentlichen. Die nächste Sitzung ist am 1. April.

Die Interessenverbände machen Vorschläge wie „Internetkompetenzkurs, Informationskompetenzvermittlung, Schulfach „Medienkunde“. Keiner sagt, wo man im nicht-digitalen Stundenplan streichen soll, sie packen immer nur drauf.

Schulbibliotheken stehen nicht im Fokus der Kommission und der Adhokratie (So nennt man anscheinend die Bürgerbeteiligung im Internet. Kommt von adhocracy, wörtlich Spontanherrschaft, Gegenbegriff zu Bürokratie, Herrschaft der Ämter). Schulbibliotheken haben keine Lobby. Sie werden überwiegend ehrenamtlich, nebenamtlich und durch Projekte der Jobagentur betreut. Für die Interessenvertretungen der Medien-, Informations-, Dokumentations- und Bibliothekswissenschaften geht es nicht zuletzt um Erhalt und Ausbau von Forschung und Lehre und um Arbeitsplätze für die Absolventen der diversen Hochschulen. Da können Schulbibliotheken nicht viel bieten.

Meine 5Cent habe ich letzten Herbst zur Diskussion beigesteuert:

Multimediale Schulbibliotheken ja, aber bitte kein neues Schulfach! 

Ich fordere die Kommission auf, sich für die Schulbibliotheken einzusetzen und dem Bund, den Ländern und den kommunalen Schulträgern konkrete Maßnahmen vorzuschlagen. Es muss eine geeignete Infrastruktur in den Schulen geben.

Schulbibliotheken sind als multimediale Wissens- und Lernzentren der geeignete Ort. Weltweit ist die Schulbibliothek im digitalen Zeitalter angekommen, nur in Deutschland leider noch zu selten.
Es geht nicht um mehr Bücherregale oder Computerräume. Es geht auch nicht darum, besser googeln zu können oder für jeden neuen Hype einen Kurs anzubieten. Wer gelernt hat, bei Twitter eine Information zu finden oder eine Website auf vollständiges Impressum, aktuelles Update und übersichtliches Layout zu überprüfen kann, ist noch lange nicht informationskompetent oder gar gebildet. „Surfen“ können auf dem Meer der Informationen, wie es eine Metapher nennt, ist kein Selbstzweck, schon gar kein Bildungsziel.

Moderne Informations-, Wissens- und Lesezentren helfen Lehrerinnen und Lehrern, einen besseren Unterricht zu machen, in dem sie unterschiedliche Medien in Lernprozessen nutzen. Schülerinnen und Schüler lernen, bessere Referate und Facharbeiten zu schreiben und ihr Wissen besser zu kommunizieren. Da auch weiterhin Lesen und Schreiben die Basiskompetenzen sein werden, kann man die Orte, die man für solches Lernen braucht, weiterhin Schulbibliothek nennen. Dass visuelle und auditive Kompetenzen auch, aber in geringerem Umfang, das Lernen begünstigen, ist nachgewiesen.
Dieses Lernen ist Kern von Unterricht und kann weder in ein einzelnes neues Fach noch an außerschulische Institutionen ausgelagert werden.
Optimal wäre es, wenn die Fachlehrerinnen und Fachlehrer im Rahmen ihrer fachwissenschaftlichen und unterrichtsmethodischen Ausbildung auch verstärkt lernten, digitale Medien zu nutzen und sich mit Chancen und Gefahren digitaler Medien auseinanderzusetzen. Andererseits müssen Medien- und Informationsspezialisten wissen, wie Schülerinnen und Schüler lernen, wie man Unterricht plant und durchführt. Eine „hybride“ Ausbildung (teacher-librarian, documentaliste, library media specialist) oder eine Zusammenarbeit beider vor und im Unterricht wäre nötig. Beides gibt es in vielen Staaten, leider aber nicht in Deutschland.

Der Kommission empfehle ich eine Studienreise. Geeignete Schulen in Südtirol, USA, Portugal, den Niederlanden, sogar einige wenige auch hierzulande, nenne ich gerne.

Jetzt gibt es von einem außerparlamentarischen Institut eine neue Mitbeteiligungsseite, auf der man sogar über Vorschläge abstimmen darf. Ich finde den Button „Neuen Vorschlag machen“, der auf der Hilfe-Seite gezeigt wird, allerdings nicht. Ich habe halt nie an einem Informationskompetenzvermittlungskurs teilgenommen.

Ein Gedanke zu „Multimediale Schulbibliotheken ja, aber bitte kein neues Schulfach!

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