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Merkel und LeFloid: Wie die Alten sungen…

Frau Merkel bei dem Youtuber LeFloid. War das nun das Medienereignis, das die TV-Talkshows alt aussehen lässt? Wenig Zeit, nichts wird vertieft, nichts nachgefragt. Der Interviewer als Vorleser von Fragen seiner Anhänger, nicht als Gesprächspartner. Woher kennen wir das nur? Erinnerung an die Rolle von Repräsentanten in der Piratenpartei: Imperatives Mandat. Und dann noch LeFloids vorgelesene Plattitüde vom brandenburgischen Studenten an der Münchner Uni. Es durfte vor Jahren schon in der Münchner Abendschau gesendet werden: In welchem Bundesland Studenten bayerischer Universitäten Abitur gemacht haben, ist während des Studiums und beim Examen nicht mehr erkennbar.

Wie erklärt man die unterschiedlichen Abschlussquoten von Hauptschulabgängern?

In Wismar schafft jeder vierte Schüler den Hauptschulabschluss nicht, in Forchheim nur jeder vierzigste, in Düsseldorf scheitern 9.5 %, in Leverkusen 3,5% der Abgänger, schreibt der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Prof. Dr. Georg Cremer. Er hat  untersuchen lassen, warum es solche erstaunlichen Unterschiede gibt: Weiterlesen

In Talkshows treten Politiker als Markenartikel auf

Norbert Bolz ist Professor für Medienwissenschaft. Er schreibt einen kritischen Zwischenruf in „Das Parlament“, Nr. 35-37 – 2012: „Wie Politik immer mehr zur Unterhaltung wird“.

Die Veränderungen sind bekannt: Die Nachrichtensendungen werden zum Boulevard, die Talkshow wird wichtiger als das Parlament. Die Analyse von Prof. Bolz ist vernichtend. Hier einige Sätze daraus:

Die politische Tagesberichterstattung berichtet nicht mehr über eine von ihr unabhängige politsche Wirklichkeit, sondern konstruiert diese gemeinsam mit dem politischen System.

  • Nachrichten und Meinungen werden nicht mehr sauber getrennt.
  • Politik und Unterhaltung gehen ineinander über.
  • Die Grenze zwischen privat und öffentlich verschwimmt.
  • Moderne Politik stellt sich vor der Kamera dar, nicht im Parlament.
  • Das Urteil über Personen ersetzt das Urteil über Sachfragen.
  • Die Talkshow ersetzt nicht nur das Parlament, sondern auch das räsonierende Publikum. Man lässt diskutieren.
  • Wer in den Talkshows dominiert, erweckt den Eindruck, kraftvoll zu handeln.
  • Die Moralisierung eines politischen Problems ermöglicht es denen, die von der Sache nichts verstehen, an der Diskussion teilzunehmen.
  • In den Printmedien gibt es noch kritische Journalisten. Im Fernsehen haben sie längst kapituliert. (Dort gibt es) eine Form von Journalismus, die man Soft-Interview nennen könnte: Wer hat die Fragen zu meinen Antworten?

Das Fotos zum Artikel ersetzt tausend Worte. Die Blicke von fünf Gästen von Günther Jauch geben das ganze Elend einer Talkshow wieder. Jeder Gast hängt irgendwelchen Gedanken nach, einer schaut verstohlen auf die Uhr, alle warten auf ihren Einsatz, fixieren den Monitor, auf dem die Runde gezeigt wird. (Mag sein, dass das Foto drei Minuten vor Sendebeginn entstand, es ist aber so was von authentisch.)

Basedow1764´Beiträge zum Thema:

Senioren und Medien

Kürzlich in einer medienpädagogischen Veranstaltung gehört:

Die Mediennutzung der Senioren überträfe die der Jugendlichen bei weitem. Das sei das Ergebnis der Forschungsarbeiten, in denen mit der Stoppuhr die Mediennutzung der Bevölkerung erforscht wird. Senioren sähen länger fern als Jugendliche online seien. Für Jugendliche sei überdies unstrittig, dass die Realbegegnung mit Mitmenschen an erster Stelle stünde.

Muss man sich jetzt mehr Sorgen um die Senioren machen? Medienpädagog/innen an die Front!

Meine eigenen Senioren-TV-Minuten werden sich verringern: Gero von Böhms Talkshow in 3sat wird gestrichen. Hart und unfair! Da werde ich wohl täglich 11,3 Minuten länger online sein können, ohne dass mein Gesamtmedienkonsum steigt und ich face-to-face-Begegnungen vernachlässigen muss.

„Hang zur Inhaltlichkeit“: Wie Politik in Talkshows verkommt

Ich frage mich manchmal, ob die „Informationskompetenz“, die im Schulbibliotheksbereich so viele umtreibt, nicht an wesentlicheren Problemen vorbeiführt.

Die Curricula rund um den Internetführerschein, das Surfen auf dem Infomationsmeer, das richtige Googeln, das Evaluieren von Webseiten nehmen überhand. Die Tatsache, dass ein Flugzeug abstürzt, gleichzeitig das Tweet zum Absturz geschrieben wird und es in Echtzeit jetzt auch gegoogelt werden kann, wird  als „Revolution“ ausgerufen.

Das erinnert mich an ARD-Brennpunkt-Sendungen, in denen Reporter zu nachtschlafener Zeit vor dem Hintergrund des Capitols stehen. Oder man sieht ankommende Flugzeuge und wegfahrende Limousinen, Politikerinnen und Politiker in 1:30 Min., die reden, aber nichts sagen. Politikwissenschaftler kommentieren Vorgänge , über die sie der Moderator gerade informiert hat. Die Sendung endet mit der Ankündigung eines neuen Brennpunkts, sobald man etwas Genaues weiß.

Wäre es wirklich revolutionär, wir alle hätten in Echtzeit (und nicht hinterher und in schlechter Qualität) auf Youtube sehen können, was Oberst Klein im Gefechtsstand der KSK gesehen hat und hätten seine Anforderung des US-Air-Strikes mithören können?

Ich sehe vor mir, wie ganze Schulklassen, wenn es der Internetzugang der Schule denn erlaubt, Sozialkunde auf der Höhe der Zeit machen und über den ARD-Brennpunkt vom Vorabend surfen. Wenn  das der Referendar als Prüfungsstunde vorführt, kriegt er ´ne Eins?

Zwei Drittel aller Nachrichten stammen von Werbeagenturen und Kommunikationsbeauftragten der Konzerne, Parteien und Verbände.

In der Talkshow von Frau Christiansen (der ich übrigens inzwischen nachtrauere), saßen an manchen Abenden überwiegend Vertreter der industrienahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ohne dass das klar gesagt wurde.

Die Parteien suchen sich (nicht nur) die Chefredakteure im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus. Spitzenkandidaten werden von Moderatoren von Talksendungen interviewt, die sich lieber selbst darstellen, als hart zu fragen. Wie mutig, ohne Krawatte die Kanzlerin befragen!

Mein „Lieblingssender“ rbb, der Rundfunk Berlin-Brandenburg, macht eine fabelhafte Wettervorhersage. Was diese Redaktion sich einfallen lässt, um die Wettervorsage in einer Geschichte von Land und Leuten zu verpacken, das verdient den Adolf-Grimme-Preis. Aber darüber hinaus bleiben Wünsche offen. Dass sich Demonstranten für den Erhalt des Ernst-Thälmann-Denkmals in König-Wusterhausen einsetzen, erfährt man. Aber kein Wort, wer „Teddy“ war. Er war ja auch ein Totengräber der Weimarer Republik und ein willfähriger Stalinist.

Vergleichsweise eine Kleinigkeit. Es zeigt aber, was da im Journalismus verloren gegangen ist. Im Zeitungsbereich ist es nicht anders. Da wurde landauf, landab berichtet, was Oskar Lafontaine an Umverteilungsplänen hat. Dass er damit die Staatsausgaben glatt verdoppelt und sogar von Parteifreunden deswegen kritisiert wird, muss ich mir mühsam zusammensuchen.

Auf der FDP trampeln alle Leitartikler und Karikaturisten herum, weil sie von den Mövenpick-Hotelbesitzern eine Millionenspende bekommen hat und prompt die Mehrwertsteuer für Hotels senken ließ. Dass diese Forderung von  der CSU kam und in Bayern von allen(!) Parteien vertreten wurde, muss ich mir mühsam zusammensuchen.

„Weg mit Hartz IV!“ Völlig klar. Muss man nicht lange drumherumreden. Dass die Vermögensfreigrenzen früher niedriger waren, die Zumutbarkeitsregeln härter, die Regelsätze auch nicht besser, das will niemand wissen. Was durch Hartz IV besser geworden ist,  etwa die Jugendarbeitslosigkeit oder die doppelt so hohe Vermittlung in sozialversicherungspflichtige Jobs wie im vergleichbaren vorhergehenden Zeitraum, muss ich mir mühsam zusammensuchen.

Ich wünschte mir von meiner Zeitung und dem Fernsehen, dass sie nicht nur Pressemitteilungen abdrucken und verlesen oder das Mikrofon hinhalten, sondern hinterfragen, recherchieren, Hintergründe ausleuchten.

Die partizipativen Elemente der Redaktionen: „Diskutieren Sie mit! Kommentieren Sie! Stimmen Sie ab!“ machen es nicht besser. Was ich da an Beschimpfungen, Wichtigtuereien oder Verschwörungstheorien lese (Wenn ich es mal lese).

Kürzlich wurde es spannend im rbb-Showtalk „Dickes B“. Eine Bundestagsabgeordnete der Grünen und die Krimi-Autorin Thea Dorn saßen bei Moderator Jörg Thadeusz. Sie beklagten, dass es keine ernsthaften Diskussionen über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gäbe. Auch das Schreien der Linken sei blanker Populismus.

Da ging Thadeusz sofort dazwischen. Er warf den beiden Frauen einen „Hang zur Inhaltlichkeit“ vor, den er kurz vor Mitternacht in seiner Talkshow nicht haben wollte. (Nicht zu vergessen: die Linkspartei ist in Berlin und Brandenburg Regierungspartei und sitzt auch im Rundfunkrat.)

Schulbibliotheken in Talkshows

Der Bundespräsident, der der Politik gerne sehr konkret sagt, wo es lang zu gehen hat, nach dem sich aber niemand richtet, sprach sich kürzlich, nach einem Gespräch mit der dbv-Vorsitzenden, für eine Besserstellung der Bibliotheken aus, sogar die Schulbibliotheken hat er erwähnt.

Das erinnerte mich an meinen Leserbrief, den ich aus Anlass einer KJL-Beilage, in der mal wieder die Uralt-Zahlen von den 10% der deutschen Schulen, die … aufgegriffen und bedauert wurden, an die ZEIT geschickt hatte:

DIE ZEIT, 21/2004; Siehe auch Sonderheft zur Kinderliteratur: „Lies! Mir! Vor!“, ZEIT Nr. 19