Dieses Graffito aus den frühen 80ern kommt mir in den Sinn, als ich die treffenden Anmerkungen von Karsten Schuldt zum Thema „Schulbibliotheken auf dem 100. Bibliothekskongress“ lese.
Gleich auf zwei Veranstaltungen haben Bibliothekare Bibliothekare über Schulbibliotheken in USA informiert. Die Anwesenden müssen viel Neues erfahren haben, wie Schuldt in seinem Blog konstatiert. Man konnte das schon im Tagebuch zweier in USA weilenden deutschen Bibliothekarinnen im November 2010 nachlesen (auf der Website des New Yorker Goethe-Instituts). Sie waren überrascht, wie stark die US-Schulbibliotheken auf Unterricht bezogen sind und erklären sich das mit der Herkunft der teacher-librarians aus dem Lehrerstand.
In den USA sind die Schulbibliotheken in den 80er Jahren zu school library media centers geworden, Einrichtungen, die vor allem eine Rolle im Unterricht spielen. Gut, dass sich das allmählich unter den Schulbibliotheksexperten in den deutschen Bibliotheksverbänden herumspricht. Schlecht, weil zwei Jahrzehnte verschlafen wurden. Jetzt wird das US-Schulbibliothekswesen arg gerupft.
Auch will man vom Vorgestern ins Übermorgen: Vermittlung von Informationskompetenz haben sich die Bibliotheksverbände aufs Panier geschrieben. Mit dem Schlachtruf „Rein in die Schule!“ (Titel einer Veranstaltung auf dem 99. Bibliothekstag) wird den Schülern und Lehrern die Vermittlung von Informationskompetenz durch Bibliothekare angetragen. Das oberflächliche Hantieren mit bildungsökonomischen Schlagwörtern (PISA, Kompetenz, Qualifikation, Literalität, Standards) suggeriert Vermittlungskompetenz. Dass es dabei nicht mehr um fachliche Inhalte, Wissenserwerb, geschweige denn Bildung geht, verursacht Pädagogen Unwohlsein. „Lernen ohne Inhalte“ moniert der Wiener Bildungsphilosoph Konrad Liessmann ist wie „Kochen ohne Zutaten“. Er hält nichts davon, dass man in Lehrgängen oder Modulen das Lernen lernen und sich Kompetenzen aneignen soll, mit denen man später einmal Wissen erwerben können soll.
Dr. Schuldt wundert sich, dass der 100. Bibliothekarstag nicht auf die in derselben Woche stattfindende Sitzung der Jury für den Preis der „Berliner Schulbibliothek des Jahres“ der AG der Schulbibliotheken in Berlin und Brandenburg (AGSBB) Bezug nimmt: „Offensichtlich existieren hier zwei Diskurse nebeneinander“ stellt er fest. (Siehe dazu mehr unter „Weiterlesen“!)
Es gibt auf pädagogischer Seite keine fundierte, breite Auseinandersetzung mit dem Thema Schulbibliotheken. „Das Thema bleibt den Interessenvertretungen des Bibliothekswesens überlassen“ lautet eine meiner Thesen in „Gibt es Schulbibliotheken in Deutschland?„. Schulbibliotheken werden bibliothekarisch definiert und gehören zur Einflusssphäre der bibliothekarischen Verbände. Nicht, dass deren Diskurs beeindruckt: Der Südtiroler Bibliotheksverband z. B. wollte von einem Schulbibliothekswesen anfänglich nichts wissen und war dagegen. In manchen Bibliotheksgesetzen stehen sie drin, in manchen nicht. Für „Schulbibliotheksexperten“ alter Schule ist die Zusammenarbeit der Schule mit der öB. der Kern des Themas.
Wenn in bibliotheksfachlichen Verlautbarungen von „Zusammenarbeit der Schulbibliothek mit der öffentlichen Bibliothek“ gesprochen wird oder eine Bibliothekarin gar Schulbibliotheken eine schulische Einrichtung nennt, wird das so erfreut zur Kenntnis genommen wie die Erlaubnis für saudi-arabische Frauen, ein Handy besitzen zu dürfen: Der Fortschritt wäre jetzt nicht mehr aufzuhalten.
Ein pädagogischer Diskurs schien die bibliothekarischen Interessenvertreter bisher eher zu irritieren. „Seit wann braucht es runde Tische, an denen David und Goliath nebeneinander sitzen?“ fragt man sich wohl. Basedow1764 und seine mitstreitenden Lehrerkollegen sitzen zwischen den Stühlen. Auch mancher Lehrerkollege denkt, dass die Schulbibliotheksbefürworter unter den Lehrern eher verkappte Bibliothekare sind. Einer hat ihm das auch mal gesagt.
Kritischer Bemerkungen zu den getrennten Diskursen, wenn man sie nun doch einmal als solche bezeichnet, hat er sich in seinem Blog nicht enthalten. Noch zwei aktuelle Beispiele für nicht gelingende Diskurse gefällig? Weiterlesen