In Brandenburg jetzt doch Gemeinschaftsschulen

Anfänglich wollte die SPD von der Idee des Koalitionspartners Die Linke. nichts wissen: Keine Gemeinschaftsschulen hieß es zuerst. Jetzt ist auch die SPD für das linke Schulkonzept. Das sieht in seiner vollendeten Form vor: Eine Schule für die Klassen 1-10, kein Sitzenbleiben, keine Ziffernnoten, keine äußere Differenzierung.

Von besonderen Eliteschulen („Spezialschulen“ für Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften und Sport), auf die in der DDR leistungsstarke Schüler geschickt wurden, ist dabei nicht die Rede.

Dass die SPD in Brandenburg umgefallen ist, liegt vielleicht daran, dass in dünn besiedelten Gebieten außerhalb des Berliner Umlandes ein vielfältiges, mehrgliedriges Schulsystem schlecht zu organisieren ist. Wahrscheinlich läuft es auf das hinaus, was Hessen seit 40 Jahren praktiziert: Unter dem Titel „(Kooperative) Gesamtschule“ existieren die Schulformen Hauptschule, Realschule, Gymnasium mehr oder weniger weiter. Der gymnasiale Anteil beträgt 40 bis 70%, die Hauptschule befindet sich im einstelligen Bereich. Von Gemeinschaftsschulen hört man aber, dass der Anteil der Gymnasialschüler zum einstelligen Bereich tendiert.

In Baden-Württemberg schnitt eine Vorzeige-Gemeinschaftsschule in einer wissenschaftlichen Evaluation katastrophal ab. Die Daten blieben unter Verschluss.

Die Privatschulen in Brandenburg werden sich freuen. Vorsorglich hat die rot-rote Landesregierung schon die staatlichen Zuschüsse für sie gekürzt.

Das Ärgerlichste bei allen Schulreformen, besonders den Strukturänderungen, ist m. E., dass die Lehrer nicht „mitgenommen“ werden. Oder hat man je davon gehört, dass Lehrer in Binnendifferenzierung geschult wurden, gelernt hätten, ohne Ziffernnoten auszukommen, gelernt hätten, individuelle Förderpläne zu schreiben usw.?

Jeder Autowerkstattmitarbeiter wird besser darin geschult, wie er mit einem neuen Motor, einem veränderten Getriebe oder einem Katalysator umzugehen hat. Die Kultusministerien haben sich selten darüber den Kopf zerbrochen, wie man Lehrern eine Reform beibringt; außer mit mehr Konferenzen,  mehr Formularen, mehr Vergleichsarbeiten. Es ist ja nicht alles schlecht an einer Gemeinschaftsschule, aber man kann sie nicht verordnen.

Im Nachwende-Volksmund hat die DDR-Einheitsschule, das Vorbild für die Gemeinschaftsschule, einen guten Ruf. Es gibt aber auch diese Meinung: Das beste am DDR-Schulsystem waren die Spezialschulen. Deren Schüler haben die zum Abitur führende EOS locker geschafft und hatten auch einen erheblichen Anteil an Spitzenpositionen in Wissenschaft und Technik. Warum sagt wohl Lothar de Maizière, letzter und demokratisch gewählter DDR-Ministerpräsident, 1990 in seiner Regierungserklärung: „Ein kastastrophales Erbe übernehmen wir von der SED-Herrschaft auch im Bildungswesen“.

Der (westdeutsche) Streit um zwei oder drei Jahre gymnasiale Oberstufe – „Die im Osten schaffen es in zwei Jahren“ – geht von falschen Prämissen aus. Die Vorstellung eines gestuften Schulsystems trägt nicht. Man kann nicht einfach auf die Sekundarstufe I die Sekundarstufe II draufsetzen. Die Vorbereitung auf das Abitur beginnt viel früher. (Für manche Eltern schon im ersten Schuljahr.)
Was wenig bekannt ist: Schüler der vorgeblichen Einheitsschule wurden bis 1984 schon nach Klasse 8 im Hinblick auf die EOS gestreamt, d. h. getrennt unterrichtet, und sogar der EOS zugeordnet, der Schule mit der besseren Ausstattung und besonders guten Lehrern.

Um die Abwägung, wie lange gemeinsames Lernen gesellschaftspolitisch nötig sei und ab wann differenzierte Bildungsgänge besser seien, bleibt auch uns nicht erspart.

Die derzeitige Entwicklung, bei der zwei Drittel der Schüler das Abitur anstreben und dieses durch Wegfall von Prüfungsteilen und durch Kompetenz- statt Wissensorientierung einfacher wird, ist nicht das Ei des Kolumbus.

Beim Schreiben dieses Postings habe ich meinen Text „Vom Guten der DDR-Schule“ wiedergelesen. Wer ihn lesen will.

3 Gedanken zu „In Brandenburg jetzt doch Gemeinschaftsschulen

  1. Pingback: Studien zur Gemeinschaftsschule | Basedow1764's Weblog

  2. Basedow1764 Autor

    Der Hinweis auf die privaten, externen Nachhilfestunden ist interessant. Wenn die OECD beklagt, dass Deutschlands Bildungssystem unterfinanziert wäre, werden die privat finanzierten Nachhilfestunden außer Acht gelassen. Und da kommt einiges zusammen. Wenn man das addiert, können sich unsere Bildungsausgaben sehen lassen.
    Die „Nachhilfe“ müsste eigentlich innerhalb des Schulsystems passieren.
    Es gibt Staaten, in denen Schulleiter adhoc Hilfe für einzelne Schüler (krankheitsbedingte Abwesenheit, Migrant) vorübergehend von außen einkaufen können. Ganztagsschulen und Hausaufgabenbetreuung schaffen ein wenig Abhilfe. (Wenngleich der sozialpolitische Nutzen der Ganztagsschule den Bildungsnutzen weit übertrifft. (Die Eltern können unbesorgt arbeiten gehen, die Kinder kriegen was zu essen und sind weg von der Straße)

    Das Grundproblem – Chancengerechtigkeit für alle versus Gleichheit aller – ist m. E. nirgendwo zufriedenstellend gelöst.
    Man sollte die Schwächeren durchaus auch stärker fördern, aber was macht man mit den Leistungsstarken? Wenn man die ebenfalls angemessen fördert, sind hinterher die Unterschiede eher noch größer.
    Die skandinavische Lösung war bisher, dass Gleichheit Vorrang vor Leistung hatte. Das konnte dazu führen, dass leistungssärkere Schüler auch schon mal gemobbt wurden und ihre höhere Lern- und Leistungsbereitschaft kritisch gesehen wurde.

    Antwort
  3. Da Wolf

    Sehr guter Text!!! Trotzdem glaube ich, dass das System der Gesamtschule die Zukunft sein wird. Natürlich muss man die Schwächeren sowie die Besten getrennt voreinander fördern – heißt aber nicht, dass sie trotzdem im gemeinsamen Klassenverband verbleiben können. Aber du hast schon recht, dass trotz aller Positiva im Bezug auf etwaiige Schulreformen, nur allzugerne auf die Lehrkörper vergessen wurde. Wer bildet sie aus? welche Pädagogischen Maßnahmen müssen gesetzt werden etc…
    Aber das miteinander und gleichzeitig voneinander lernen hat sicherlich gute Zukunftschancen. Gleichzeitig muss den Schwächeren durch schulinterne Nachhilfestunden (eventuell sogar während des Unterrichts bereits) geholfen werden. Wer jetzt schreit:“ Zu teuer!!“, sollte nicht vergessen wieviel Geld in externe Nachhilfestunden vom Familienbudget investiert wird. Mit dem Nachteil der langen Anfahrtswege und einer großen Ineffizienz, da trotz gleicher Lehrpläne jeder Lehrer und jede Schule anders unterrichtet…

    Antwort

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