Die DDR lebt (6): Max-Dortu-Schule Potsdam

Wenn man dem PNN-Kommentator Jörg Schönbohm vertrauen darf (17.7.2010), hat sich folgendes zugetragen:

Die Potsdamer Max-Dortu-Grundschule feiert ihr 150jähriges Bestehen mit einer „Revue“:

FDJ-Lieder, das Altpapierlied und „Sag´mir, wo Du stehst!“ werden von Klassen in Thälmann-Pionieruniformen gesungen.

Die Brandenburg-Hymne, in der DDR verboten, seit 20 Jahren aber das Lied des wieder gegründeten Landes Brandenburg, fehlt dagegen.

Für die Lehrerin, die die Revue einstudiert, muss die neue Zeit schrecklich sein. Sie wird zitiert: Der Russischunterricht wurde abgeschafft, die FDJ und die Pioniere, die kostenlosen Schulbücher und die Schulspeisung. Aber das Gute komme wieder: Seit 9 Monaten regiere die Nachfolgepartei der SED.

Wen wundert es da noch, dass die Max-Dortu-Schule vor fünf Jahren eine Schuluniform eingeführt hat?

25% der Potsdamer Grundschüler/innen besuchen Privatschulen. Kein Wunder!

Leninbüste im Stadtpark Potsdam. Jetzt neu:  Sichtachse zur Straße!   Ob  die Dortuschüler/innen hier einen Kranz niedergelegt haben, ist nicht        bekannt.                                                                

N.B.:  Wer den Rückgang der DDR-Postings bedauert: Ich komme zwar mit dem DDR-Webquest nicht so recht weiter, kommentiere aber gelegentlich in jenem Blog den ostdeutschen clash of civilizations, z. B. die Mythenpflege in Wissenschaft und Publizistik.

Die neue Lieferung zu „Die DDR lebt“ steht also im Blog Ampelmännchen und Todesschüsse

 

Update 19.4.2014: Dieser Beitrag wird seit vier Jahren beständig aufgerufen, warum auch immer.

2010 sah ich das Geschehen noch als bedauerlichen Ausrutscher an. Aber inzwischen wächst bei mir die Erkenntnis, dass die Sehnsucht nach der heilen, kuscheligen, seid-nett-zueinander DDR mit wachsendem Abstand größer wird.

Der Tag scheint nicht mehr fern, an dem es Vereine geben wird, die die DDR nachspielen werden, so wie es Gruppen gibt, die die Welt der Steinzeitmenschen, der Indianer, die Völkerschlacht nachspielen, die – gerne in England – in Naziuniformen Partys feiern. (Wenn es dabei bliebe, wäre das noch auszuhalten.)

Im Potsdamer Nikolaisaal wurde jetzt das Ostrock-Musical „Über sieben Brücken“ gegeben. Wenig Begeisterung wecken beim MAZ-Rezensenten Handlung und stimmliches Talent der Schauspieler/-innen. Das hinderte das Publikum im randvollen Saal nicht, frenetisch zu feiern: „Rhythmisches Klatschen, stehende Ovationen“ lautet die MAZ-Schlagzeile.

Nicht zutreffend ist, dass im Saal die freie alternative Republik Potsdam ausgerufen und Putin gebeten wurde, mit Tarnanzügen, Gesichtsmasken und Kalaschnikows den Kampf gegen CIA, Wallstreet und die Reichen in Potsdam zu unterstüzen.

5 Gedanken zu „Die DDR lebt (6): Max-Dortu-Schule Potsdam

  1. basedow1764 Autor

    Zugegeben, Schuluniformen sind mir bisher nicht als Zeichen für DDR-Nostalgie bekannt geworden. Immerhin muss es einen Fundus geben, in dem sich Pionierhemden für mehrere Schulklassen fanden.

    Ich kenne drei Potsdamer Grundschulen- Eisenhart-, Priesterweg-, Luxemburg-Grundschule, von deren Arbeit ich angetan bin. Allerdings sind die evangelischen privaten Grundschulen auch nicht schlecht. Und die Eltern dort gehören keineswegs ausschließlich zu den Reichen und Schönen.

    Dass Brandenburgs öffentliche Schulkollegien vielfach Refugien von DDR-Nostalgikern sind, ist allerdings kein Geheimnis. An diesem Heimweh an die gute, alte Zeit kann nicht nur die von der „Linken“ kritisierte Schulpolitik Frau Birthlers schuld sein.

    Mit freundlichen Grüßen
    Günter Schlamp

    Antwort
  2. Peter Jobmann

    Naja – Schuluniformen in den Geist des Sozialismus zu stellen kann ja jetzt nicht ein ernsthaft gemeinter Kommentar sein oder?

    Man sollte sich lieber fragen, warum man es in 20 Jahren nicht schafft eine Identifikation mit dem Neuen zu schaffen – bei aller berechtigter Kritik ist diese Frage wichtig!

    Man sollte sich fragen, warum eine Stadt wie Potsdam ganz grundlegend gegen seine Jugendlichen und Kinder arbeitet – fast parteiübergreifend.

    Man sollte sich ebenso fragen, ob 25% Grundschüler an Privatschulen wirklich sinnvoll sind. Die gehen da ja nicht hin weil der Rest der Schulen so schrecklich sind ist, sondern weil hinter einem sehr reichen Potsdam der damit einhergehende elitäre Bildungsgedanke mitschwingt – siehe Wahlergebnis in Hamburg am Wochenende.

    Sicher ist manche Kritik hier richtig, sicher ist auch, dass sie teilweise recht unreflektiert ist! Man sollte sich mal die Frage stellen, warum die Stadt Potsdam sich seit Jahren dem Gedenken an Max Dortu verweigert. Auch fragwürdig – oder?

    Antwort
    1. basedow1764 Autor

      Jetzt haben wir erstmal ein zweites, großes Hiroshima-Denkmal und einen Hiroshima-Platz.
      Nun gibt es Stimmen, die einen Nanking-Platz fordern.

      Immerhin hat Dortu eine Straße und eine Schule, die nach ihm benannt wurden.
      Bis eines Bürgerrechtlers gedacht wurde, dauerte es immerhin 20 Jahre.
      Der in Moskau ermordete Potsdamer Bürgermeister Köhler hat nach langem Hin und Her ein (Hundeauslauf-) Plätzchen bekommen, das nach ihm und seiner gleich mit ermordeten Ehefrau benannt wurde.

    2. basedow1764 Autor

      Erinnerungskultur in Potsdam, a never ending story: Mit der Gedenkplatte für Hiroshima sind wir endlich einmal auf der Seite der Guten.
      Jetzt soll der antifaschistischen Potsdamer Spanienkämpfer gedacht werden, fordert ein Potsdamer Antifaschist. Kriegt Spanienkämpfer Mielke auch eine Plakette? Er ist Potsdam doch ziemlich verbunden. 4000 seiner Leute haben in der Stadt gearbeitet, jede 50. Wohnung war ein konspirativer Treff. Er hat hier seine Hochschule errichtet und war da auch als Doktorvater tätig.
      Dass er in Spanien im Auftrag Stalins mehr Kommunisten liquidiert hat als Franco, muss man nicht publik machen. Schließlich steht auch vor der Stalinvilla in der Karl-Marx-Str. nicht, dass Stalin mehr Kommunisten umbringen ließ als Hitler.
      Woran es sonst noch im öffentlichen Gedächtnis Potsdams mangelt, steht heute, 13.8.10, in der Zeitung und ist im Internet zu sehen: http://denkmallandschaft-berliner-mauer.de/map#center=52.41058726,13.10548782&zoom=15&type=satellite :
      An der Bertinistr., am S-Bahnhof Griebnitzsee, am Griebnitzsee, am Sacrower See, würden sich Gedenk- oder wenigstens Infotafeln gut machen.

  3. Pingback: Potsdam - Blog - 17 Jul 2010

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